Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
über all die ausgedrückten Farben gewälzt haben mußte, ehe er in die Erde gebissen hatte. Nun trockneten die Ölfarben in der heißen Sonne. Wie sehe ich aus, dachte er. Ein mit einer Vielfalt von Farben beschmiertes Gesicht, das ich mit dem wenigen Terpentin, das ich bei mir habe, nicht sauber wischen kann. Was soll ich Ev erzählen? Und der ›Tonkopf‹ wird so lachen, daß man ihn ermorden könnte für diesen kraftstrotzenden Hohn. Was soll ich tun? Welche Lüge ist jetzt noch glaubhaft?
    Er lag noch eine Weile, die Farbe auf seinem Gesicht wurde zu einer festen Schicht, der Schmerz im Leib ebbte ab und blieb nur noch wie ein taubes Gefühl in seinen beiden Füßen hängen. Das war neu. Er bewegte die Füße … sie gehorchten ihm, aber als er sie gegen einen Stein stieß, empfand er nichts mehr dabei.
    »Nein!« sagte er dumpf. »Nein! Das mache ich nicht mit!«
    Er stieß immer und immer wieder mit den Füßen gegen den großen Stein, bis das Gefühl wiederkehrte. Er stieß so wild, mit einer so verzweifelten Selbstzerstörung, daß – als das Gefühl zurückkehrte – seine Füße rot geschwollen waren und er kaum noch auf ihnen stehen konnte, als er sich aufrichtete. Dann stand er wieder, hielt sich an seiner Staffelei fest und blickte über das sonnenüberflutete, blühende, gesegnete Land, in dem man begreift, wenn jemand sagen sollte: »Gott muß ein Provençale sein!«
    Er sah den Qualm aus zwei von des ›Tonkopfs‹ Brennöfen, dünne weißgraue Fäden, die im unendlichen Blau des Himmels aufgesogen wurden. Und er hörte auch wieder die Laute um sich, die Vogelstimmen, das Flügelschlagen eines Taubenschwarmes, ein ganz weit entferntes Hämmern auf Eisen … dort irgendwo zwischen den Hügeln schärfte ein Bauer seine Sense. Links von ihm zog eine Schafherde über das Land, merkwürdig stumm, weil der Wind gegen sie stand und alle Laute von ihm wegtrug.
    Eine gute Idee, dachte er. Ich werde sagen, ein Hirtenhund habe mich umgerannt und ich sei in meine Farben gefallen. Der ›Tonkopf‹ wird brüllen vor Lachen, aber es klingt glaubhaft.
    Er klappte die Staffelei zusammen, sammelte alles auf, wartete, ob sein Leib gegen diese Arbeit protestierte, aber da er jetzt wieder schwieg, stieg er langsam den Hügel hinab und stützte sich bei jedem Schritt auf die Beine der Staffelei.
    *
    »Du kannst einmal zustechen«, sagte Adam Ratoulle und ließ die dicken Muskeln seiner Oberarme springen. »Sicherlich wirst du auch treffen … aber dann bin ich über dir, und die nächsten Stöße gehören mir!« Er lachte mit jener Gemeinheit, die keine Duldung mehr zuläßt, atmete tief auf und zog die Schultern hoch.
    »Rühren Sie sich nicht!« schrie Ev plötzlich hell. »Denken Sie auch an Pierre!«
    »Pierre! Den rotze ich an die Wand und backe einen Wandteller aus ihm!« sagte der ›Tonkopf‹. »Es geht hier nur noch um uns, und wir werden uns einig. Zehn Tagelang sehe ich dich in allen Variationen einer Frau … wer soll das aushalten, wenn er keine Salzsäure in den Adern hat? Bevor du hier auftauchtest, war das anders. Da klemmte ich mich auf mein altes Motorrad und fuhr nach Paradou oder Fontvieille. Von weitem schon hörten die Weiber meinen Motor und zogen die Röcke aus. Sie werden denken, ich sei gestorben. Zehn Tage kein Adam mehr in der Gegend … und nur, weil ich dich immer vor Augen habe …«
    »Morgen fahren Pierre und ich weiter. Mir wird schon eine Erklärung einfallen. Mein Gott, bleiben Sie stehen!«
    Adam Ratoulle breitete die Arme aus. Das Messer vor ihm erschien ihm lächerlich. Er grunzte tief und setzte zum letzten Schritt an.
    In diesem Augenblick fegte ein Knäuel Haare zwischen Ev und Adam Ratoulle. Lautlos, aber mit einer Wucht, in der die ganze Kraft des Anlaufes lag, warf sich Bouillon in die Beine des ›Tonkopfs‹. Er biß nicht, er schlug nicht seine Zähne in das Fleisch … er prallte nur gegen die Schienbeine, riß den riesigen Menschen von den Füßen, zerstörte das Gleichgewicht, ließ ihn nach vorn kippen und fallen.
    Mit ausgebreiteten Armen, mit der ganzen Schwere seines Körpers fiel Adam Ratoulle unaufhaltsam Ev entgegen, das lange Messer, das sie noch immer mit beiden Händen umklammert von sich hielt, bohrte sich bis zum Heft in seine Brust, und erst, als ihre Fäuste seine Haut berührten und die Klinge völlig in seinem Körper stak, ließ sie mit einem Aufschrei den Griff los.
    Der ›Tonkopf‹ starrte sie lautlos an, in seine Augen flog jenes ungläubige

Weitere Kostenlose Bücher