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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Staunen, das noch an Wunder glauben läßt … dann überzog seine Augen der ewige Schleier, er kippte gegen die lange Holzbank des Grilltisches, sank in die Knie, umfaßte seinerseits mit beiden Händen den Messergriff, aber es war nur eine Reaktion, die das bereits gestorbene Gehirn nicht mehr befahl. Erst dann kam ein merkwürdiger Laut aus seinem aufgerissenen Mund, ein dumpfes Grollen, das mit einem pfeifenden letzten Atem verflog.
    Adam Ratoulle fiel auf den festgestampften Boden und war schon tot, als seine Stirn aufschlug. Neben seinem Kopf stand Bouillon, ohne einen Laut, nur die Lefzen hatte er hochgezogen und das Gebiß bis zum Zahnfleich entblößt. Als der Mensch neben ihm sich nicht mehr rührte, sprang er über ihn hinweg und kam hinüber zu Ev. Sie lehnte an der Wand und hatte die Augen fest zusammengepreßt. Erst, als Bouillon ihr die Hand leckte, öffnete sie langsam die Lider und wandte gleichzeitig dabei den Kopf zur Seite.
    »Was hast du getan?« sagte sie tonlos. »Bouillon, was hast du getan?!«
    Der Hund begann zu winseln und drückte sich an ihre Beine, und sie konnte nicht anders, sie mußte sich zu ihm hinunterbeugen und sein struppiges Fell kraulen. Der häßlichste Hund von Paris winselte weiter, seine braunen Augen waren ein einziges Flehen.
    »Ich danke dir, Bouillon«, sagte Ev leise. Es fiel ihr unendlich schwer, das zu sagen. Da wird ein Mensch getötet, und man bedankt sich. Und dann dachte sie daran, daß sie selbst bereit gewesen war, mit dem Messer zuzustoßen und begriff nicht, daß sie dazu hatte fähig sein können. Sie nahm Bouillon auf den Arm, wandte sich ab und lief mit ihm in ihre Hütte zurück. Dort erst löste sich ihre Verkrampfung … sie fiel auf das breite Bett und schüttelte sich wie in Krämpfen.
    Und Bouillon saß neben ihr und leckte ihr die Hände.
    *
    Wann Pierre zurückkam, wußte Ev nicht. Sie war eingeschlafen, und als er sie weckte, war tiefe Nacht, und eine halbe Mondsichel stand wie durchleuchtetes Glas über dem vom Zikadengesang durchwobenen matthellen, duftenden Land.
    Sie fuhr hoch, umklammerte seine Schultern und schrie »Pierre!« aber er drückte sie zurück und setzte sich neben sie auf die Bettkante.
    »Ich habe ihn begraben …«, sagte er ganz ruhig. »Eine fürchterliche Arbeit. Er muß über zwei Zentner gewogen haben. Es hat acht Stunden gedauert, bis ich ihn im Grab und zugeschüttet hatte.«
    »Ich habe ihn nicht getötet …«, stammelte sie. »Glaub es mir, Pierre, ich habe es nicht getan. Ich war bereit dazu … aber dann kam Bouillon dazwischen. Der Hund hat ihn getötet.«
    »Der Hund –«, Pierre sah hinüber zu Bouillon, der zusammengerollt neben Ev auf dem Bett lag. Zwischen den Haarbüscheln ahnte er die großen braunen Augen, die ihn jetzt erwartungsvoll anstarren mußten. »Ich weiß, daß Hunde töten können …«
    »Du glaubst es nicht, Pierre? Er hat Adam umgerissen, und er stürzte in mein Messer.«
    »Adam hieß er also?« sagte Pierre und strich über Evs Haare. »Keiner wußte das bisher.«
    »Adam Ratoulle. Er wollte …«
    »Ich weiß es, Ev. Er hat es mir gesagt. Er konnte mir das sagen, er war so stark, und ich hätte nichts tun können, am allerwenigsten ihn töten. Ich kann nicht töten. Aber ein Hund kann es.«
    »Und was nun, Pierre? Niemand wird uns glauben, daß Bouillon einen Mann wie Adam Ratoulle hat töten können …«
    »Er ist begraben, und keiner weiß, daß wir hier waren. Morgen früh fahren wir weiter in die Camargue …«
    »Wie flüchtende Mörder. Das ist schrecklich, Pierre –«
    »Es ist schrecklich, daß zwei Menschen nirgendwo auf dieser Welt glücklich sein können«, sagte Pierre. »Warum ist das so?«
    »Weil wir Menschen sind.«
    »Ist das eine Erklärung, Ev?«
    »Die einzige, Pierre.«
    Er legte sich neben sie und starrte gegen die Balkendecke. Das Konzert der Zikaden, durchbrochen von dem dumpfen Brüllen einiger Ochsenfrösche in nahegelegenen Tümpeln, füllte die Nacht aus. Es roch nach Narzissen und wildem Wein, riesigen Nelken und harzigem Wacholder.
    »Hättest du ihn getötet?« fragte er plötzlich.
    Und sie antwortete ohne Zögern: »Vielleicht –«
    »Du hättest wirklich zustoßen können?«
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube ja. Es kam alles zusammen: Angst, Verzweiflung, Ekel, die Ausweglosigkeit, die Liebe zu dir …«
    »Und was würdest du jetzt tun, wenn du ihn getötet hättest?«
    »Ich würde nach St. Rémy zur Polizei fahren.« Sie drehte sich zu ihm hinüber.

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