Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
dachte Pierre. O hätte ich einen Teil davon. Nur ein Zehntel, so bescheiden bin ich. Wie wäre die Welt anders.
    Er schaute hinauf zu Bouillon, der sich ergiebig kratzte.
    Ein Hund. Ev, wenn du wüßtest, was ein Hund für mich bedeutet.
    »Komm her, Bouillon!« rief er. »Komm her!«
    Und der häßlichste Hund von Paris machte vom Hügel aus einen Satz, sprang Pierre direkt auf die Arme, erdrückte ihn an sich und ging mit ihm hinüber zur Hütte, um Ev zu wecken.
    *
    Sie blieben zehn Tage bei dem ›Tonkopf‹ und schliefen in einer Bretterhütte, die sie sich in zwei Tagen bauten. Es war ein warmer Frühsommer, eigentlich brauchte man nur ein Dach über dem Kopf und schlief besser, wenn die mit Blütenduft geschwängerte Luft einen umwehte; aber sowohl Pierre wie auch Ev schien es besser, Wände um sich zu haben, um ihre Liebe nicht in so vollkommener Freiheit darbieten zu müssen. Zwar sagte der ›Tonkopf‹ einmal in seiner kraftstrotzenden Art: »Wer sich hier schämt, ist noch nicht Natur genug«, und modellierte aus Ton einen riesigen Phallus, den er gewissenhaft in einem seiner primitiven Öfen brannte und Ev beim nächsten Abendessen überreichte, wie man einer Dame einen Strauß Rosen schenkt. Pierre starrte das deutliche Gebilde mit verkniffenen Augen an, und er sah auch, wie verlegen Ev war, wie sie sich überwinden mußte, die Tonplastik anzufassen und sich auch noch zu bedanken. Sie sagte etwas zögernd: »Das haben Sie gut gemacht. Danke!« Und der ›Tonkopf‹ goß einen Becher Wein in sich hinein, schlug sich auf die kräftigen nackten Schenkel und grölte: »Nach lebendem Modell, Mademoiselle! Macht es Sie nicht neugierig?«
    »Du solltest dich anders benehmen«, sagte später Pierre zu seinem Freund, als Ev in einem Bottich heißen Wassers das Geschirr spülte und die beiden Männer allein auf einem der kleinen Hügel saßen, über das Land blickten und rauchten. »Sie ist keine kleine Hure, das sage ich dir zum letztenmal! Ich liebe sie! Was sie mir bedeutet, ahnt keiner.«
    »Man kann es ihr ansehen, wie sie im Bett ist«, antwortete der ›Tonkopf‹ fröhlich. »Pierre, mach dir nichts vor. Das ganze Gequatsche mit Seele und Herz, und man will doch nur aufeinanderliegen. Seele hat nur die Natur –«, er machte eine alles umfassende Armbewegung, als wolle er die gesamte Provence an seine breite Brust drücken. »Der Mensch ist Dreck wie der Ton dort unten, bis jemand kommt, der eine Figur aus ihm formt und ihn hart brennt. So wird der eine ein Krug, den man füllen kann, der andere ein Sieb, aus dem alles wieder herausläuft, der eine wird zum Mörser, der andere zum Stößel –« Er lachte grob und machte eine gemeine Handbewegung. »Und dann wird das Gebilde alt, verwittert und zerbricht eines Tages, wie jedes Tongefäß. Das ist der Mensch! Nur die Natur ist ewig, schön, unerreichbar, unnachahmbar … auch du mit deinen Bildern kannst es nicht. Pierre, so mußt du auch leben! Dran denken, daß du eines Tages wie eine Tonscherbe auf dem Dreckhaufen liegst.«
    »Wo wäre die Menschheit hingekommen, wenn sie so denken würde wie du?«
    »In ein kleines Paradies zwischen Bett, Herd, Fluß, Wind, Erde und Himmel. Braucht man mehr?« Der ›Tonkopf‹ blickte hinunter zu Ev. Sie schüttete den Bottich aus und reckte sich etwas. Durch die dünne Bluse drückte sich ihre Brust, um die Hüften spannte sich die gewaschene Jeanshose. Sie trug das blonde Haar aufgelöst und wußte nicht, daß man sie beobachtete. Mit den Händen strich sie sich über das Gesicht und breitete dann die Arme aus und atmete tief die Abendluft ein. So male ich sie, dachte Pierre glücklich. Die ganze Sehnsucht eines Menschen nach Schönheit und Glück.
    »Wenn ich Millionär wäre, würde ich sie dir abkaufen«, sagte der ›Tonkopf‹ und spuckte den Rest seiner Zigarette von den Lippen. »Und ich bin Millionär – mir gehört die ganze Freiheit des Lebens! Was willst du für sie haben?«
    »Rühr sie nicht an, Tonkopf!« sagte Pierre leise. »Ich sage dir: Rühr sie nicht an!«
    »Ich bin so fair, dich vorher zu fragen.«
    »Ich würde dich umbringen, Tonkopf.«
    »Mit einem Pinsel voll Indischrot, was?« Er lachte dröhnend und warf sich nach rückwärts ins Gras. Sein breiter Brustkorb wölbte sich, die Armmuskeln schwollen wie dicke Stahltrossen, als er die Arme hinter dem Nacken kreuzte. Er zog die Beine an, und auch seine Oberschenkelmuskeln waren wie lange, runde Brote, die man unter die Haut geschoben hatte.

Weitere Kostenlose Bücher