Liebe ist stärker als der Tod
Furore machen konnte. Es war ein neuer Typ im Jet-Set, und Jules freute sich, daß gerade er so etwas Exklusives aufgerissen hatte. So verband er das Angenehme mit dem dringenden Wunsch, weder Pierre noch Eva Bader in der nächsten Zeit zu begegnen und stieg in Orly mit Mizzi in einen der Privatjets der Firma Chabras.
Madame Myrna Chabras reiste am nächsten Morgen auf eines der Loire-Schlösser, die – unter Einhaltung des Denkmalschutzes – von Fernand Chabras gekauft worden waren. Der Vorfall mit dem Au-pair-Mädchen Eva hatte ihre Migräne ausgelöst. Sie ahnte, daß mit dem Verschwinden Evas die Unannehmlichkeiten nicht beendet waren, und betrachtete es als Klugheit, aus der unmittelbaren Schußlinie kommender Ereignisse zu retirieren.
Fernand Chabras ahnte von dem allem nichts. Er saß in Orléans in einem seiner chemischen Werke, erfreute sich am Gestank seiner Erzeugnisse und war zufrieden, daß alles auf vollen Touren lief und die Kapazitäten sich noch erhöhen ließen. »Wir leben im Zeitalter der Chemie«, sagte er witzig. »Ob wir es überleben, das ist die Frage.«
Das Personal unter Butler James herrschte allein im Schloß, putzte die Kronleuchter, saugte die großen, schweren Aubusson-Teppiche und tauchte das Tafelsilber in Reinigungslösungen.
Die Doggen liefen im Park frei herum, kreisten innen an der alles umgürtenden Mauer um das Grundstück und beobachteten hinter dem großen Gittertor die Straße, den Bois de Boulogne und die Seine.
»Warten Sie hier!« sagte Madame Coco. Sie saß in einer Taxe, hatte die Fahrt im voraus bezahlt (wer in die Rue Princesse gerufen wird, fährt nur bei Vorauskasse) und legte jetzt einen Fünfzig-Francs-Schein dem Chauffeur mit einem Klatschen auf den Oberschenkel. Der Mann zuckte zusammen, starrte das rote Ungeheuer an und schwieg klugerweise. »Genügt das, Monsieur?«
»Es kommt darauf an, Madame, wie lange Sie bleiben.«
»Eine halbe Stunde …«
»Dann ist es zu wenig.«
»Den Rest bezahle ich, wenn ich zurückkomme.«
»Sie wollen da hinein?« Er zeigte mit dem Kinn zu der Einfahrt von Château Aurore.
»Braucht man dazu ein Visum?«
»Zu Monsieur Chabras?« Wer kannte den großen Chabras nicht in Paris! Château Aurore war besichtigungswürdig wie der Louvre, nur konnte es keiner besichtigen. »Sie wollen sich dort wegen Arbeit vorstellen?«
»Sehe ich so aus?« knurrte Madame. Der Chauffeur schwieg.
Da hat sie recht, dachte er. Wer bei Chabras arbeiten will, sieht so nicht aus. Er steckte die fünfzig Francs ein und lehnte sich zurück, während Madame ausstieg. Die kommenden Ereignisse begannen ihn zu interessieren. Manchmal ist das Leben spannender und intensiver als jedes Fernsehspiel.
Die zehn Schritte vom Straßenrand bis zum großen Gittertor stampfte Madame Coco mit der ganzen Intensität ihrer imposanten Erscheinung. Das änderte sich auch nicht, als sie die beiden Doggen sah. Sie lagen seitlich der Auffahrt unter einem Busch, starrten sie aus bernsteinfarbenen Augen an, zogen die Lefzen etwas hoch und warteten.
Madame öffnete ihre Einkaufstasche – aus Kunstleder, abwaschbar –, entnahm ihr einen guten, alten, hölzernen Kartoffelstampfer, wie er im Zeitalter der Nostalgie wieder modisch wird, aber nur, um ihn als Zierde an die Wand zu hängen, und drückte auf den Knopf, der die Sprechanlage zum Haus in Tätigkeit setzte.
Eine Stimme blies sie an, nachdem sie dreimal gedrückt hatte. »Was wollen Sie?«
»Ich bin die Frau, die das Zeitungsgeld holt«, sagte Madame. Es fiel ihr plötzlich ein, daß um den 4. oder 5. jeden Monats herum die Abonnements kassiert wurden. Das war besser, als wenn sie gesagt hätte (wie sie zuerst wollte): Hier ist Cosima Lebrun. Sie kennen mich noch nicht, und da haben Sie 'was verpaßt! – Es war möglich, daß Butler James durchaus nicht neugierig auf Cosima Lebrun war.
»Sind die Hunde am Tor?« fragte die etwas hochnäsige Stimme.
»Welche Hunde?« fragte Madame zurück und sah den Doggen in die gelben Augen.
»Es ist gut. Ich drücke auf. Wenn die Hunde kommen, bleiben Sie einfach ganz ruhig stehen. Ich komme Ihnen entgegen –«
»Danke, Monsieur.«
Der Summer schnarrte. Madame Coco drückte das Tor auf, betrat die Auffahrt und warf das Tor hinter sich wieder zu. Der Chauffeur kurbelte das Fenster herunter und beugte sich aus dem Taxi. So etwas gehört zu den Sternstunden eines Taxifahrers. Sie entschädigt für hundert Mißlichkeiten.
Die Doggen erhoben sich träge, reckten sich,
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