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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sagte Pierre leise in die Dunkelheit. »Wenn ich nachts hier liege und sehe die Wolken am Fenster vorbeiziehen, so nahe, als läge ich selbst auf einer Wolke mitten unter ihnen, bin ich glücklich. Können Sie das verstehen, Ev?«
    »Sehr gut, Pierre.« Ihre Stimme war wieder kindlich klein. »Es ist ein wunderschönes Zimmer – Gute Nacht, Pierre …«
    »Gute Nacht, Ev –«
    Das war der erste Tag, dachte er. Was kommt nun? Wie werden die anderen Tage sein, die vielen, vielen anderen Tage … mit Ev, ohne Ev … wie kann es jetzt noch Tage geben ohne Ev …
    Spät in der Nacht hörte er sie weinen. Er rührte sich nicht, aber er ballte die Fäuste.
    Ich will verdammt sein, sagte er zu sich, wenn wir dieses Leben nicht in den Griff bekommen, Ev. Hör auf zu weinen … Wer in diesem Zimmer weint, hat sich aufgegeben –
    *
    Pierre de Sangries bekam die Stelle als Gabelstaplerfahrer in der Markthalle. In den Hallen gab es keine Tag- oder Nachtruhe. Der ›Bauch von Paris‹ atmete immer. Fast 3 Millionen Menschen wollten essen und trinken, begeisterten sich an frischen Salaten oder den großen, runden geflochtenen Austernkörben, aus denen noch das salzige Wasser rann, so nahe war das Meer gerückt dank einer präzisen Organisation.
    Paris, c'est la France … dieses stolze Wort der Pariser verpflichtete.
    Pierre setzte sich morgens um halbvier auf den abgestellten Gabelstapler und wartete auf das Kommen des Patrons. Er hieß Emanuel Thierry und hatte den größten Bananenhandel von Paris. Alle anderen Gabelfahrerposten waren besetzt, das hatte Pierre herausgefragt … bei Thierry war der Posten gestern frei geworden, weil er ein Ekel von Mensch war und keiner bei ihm länger aushielt als eine Woche.
    Bananen sind eine sehr diffizile Sache … sie kommen grün an und reifen in großen Kammern, bis sie die beliebte goldgelbe Farbe aufweisen. Manchmal geht es sehr schnell, und wenn sie Flecken bekommen, mindert das den Preis sofort um ein paar Centimes. Die Aufgabe der Fahrer war es nun, genau die Stauden herauszugreifen und zum Handel freizugeben, die ihre richtige Färbung hatten. Das war eigentlich der Job des Bananenmeisters Robert Adolph, eines dicken, rotbäckigen Mannes, der wohl besser zu den Äpfeln gepaßt hätte. Er war auch immer voll mit Apfelschnaps, saß meistens in einer Ecke, las fünf Pariser Zeitungen von Seite eins bis zum Ende, einschließlich der Todesanzeigen und Reklamen, aber ihn entließ Emanuel Thierry nicht, sondern immer nur die Fahrer. Der Grund dieser Treue war bekannt: Emanuel und Robert kämpften im Krieg in der gleichen Untergrundorganisation, und einmal hatte Robert seinem Freund Emanuel das Leben gerettet, als deutsche Gestapotruppen das Haus der Gruppe umstellt hatten. Eine solche Dankbarkeit kann durch Bananen nicht zerstört werden.
    »Wie Sie wollen, Pierre –«, sagte Robert Adolph, als er um vier Uhr in der Halle erschien, bereits wieder nach Calvados duftend, als benutze er es als Rasierwasser. Pierre saß auf dem Sitz des Gabelstaplers, eine Demonstration des Besitzanspruches, den jeder anerkannte, der jetzt, nach Arbeit suchend, durch die Hallen strich. »Kennen Sie sich mit Bananen aus?«
    »Ich habe bei Noel gearbeitet, drei Wochen.«
    »Noel ist ein Dilettant!« Robert Adolph setzte sich auf seinen Stuhl, packte seine Aktentasche aus und legte seine fünf druckfrischen Zeitungen auf den Betonboden. »Für Bananen muß man ein Gefühl haben, Pierre. Wie bei den Weibern. Das muß man spüren, wie weit man bei einer gehen kann … lernen kann man's nie! Eine Banane ist launisch wie eine neugierige Jungfrau. Mon garçon, fang an … Die ersten Stapel führst du mir vor!«
    Es zeigte sich, daß Pierre ein Gefühl für Bananen hatte. Adolph war zufrieden, bot Pierre einen Schluck aus einer großen runden Flasche an, ein Calvados, so gemein, daß die Speiseröhre sich verkrampfte, entfaltete die erste Zeitung und versank in die gedruckte große Welt.
    Gegen sieben Uhr blickte der große Patron, Monsieur Emanuel Thierry, in die Halle. Den lesenden Adolph übersah er, wie jeden Morgen, kümmerte sich um die Bananen, die abholbereit für die Zwischenhändler, säuberlich aufgereiht, auf kleinen Wagen lagen, die dann von Elektrokarren weggezogen wurden. Die morgendliche Versteigerung war längst vorbei, sie fand in einer anderen Halle statt. Bananen von Thierry kaufte man unbesehen, lediglich einige Musterstauden standen bei der Auktion zur Besichtigung bereit. Die Reklamationen

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