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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kamen dann später. Lautstark, gestenreich, temperamentgeladen. Ein Pariser Obsthändler hat das Stimmvolumen eines Heldentenors.
    »Wer sind Sie?« fragte Emanuel Thierry, als Pierre mit seinem Gabelstapler heranfuhr. Es gab keine Beanstandungen, das machte ihn unsicher.
    »Ein Maler, Monsieur.«
    »Ein unerkanntes Genie, was? Jeder Franzose ein Picasso …«
    »Picasso war ein Spanier, Monsieur.«
    »Was verstehen Sie von Bananen?«
    »Ich habe oft Bananen gemalt, so, wie sie sein sollten.«
    Thierry kniff die Augen zusammen, überblickte die Stauden und schien zu denken. »Können Sie ein Plakat malen?«
    »Sicherlich, Monsieur.«
    »Nicht bloß eine Banane, Sie Utrillo! Ein Plakat, das jeden reizt, Thierrys Bananen zu essen. Lassen Sie sich etwas einfallen … aber keine Schweinereien! Ein Plakat, das man in jeden Laden hängen kann und bei dessen Anblick man den unwiderstehlichen Drang verspürt, eine Banane zu kaufen. Können Sie das?«
    »Unwiderstehliche Dränge sind eine Spezialität von mir, Monsieur.« Pierre kletterte von seinem Gabelstapler. »Wann wollen Sie den Entwurf sehen?«
    »Morgen! Bei Thierry muß alles sofort sein! Das Geheimnis des Erfolges ist Schnelligkeit der Idee! Haben Sie schon eine Idee, Gauguin?«
    »Ich müßte mich nachdenkend einmal zwischen die Bananen setzen, Monsieur.«
    Thierry starrte Pierre verblüfft an, tippte dann vielsagend an seine Stirn und verließ die Halle, zum erstenmal, ohne gebrüllt zu haben.
    Kaum war er gegangen, sprang Adolph von seinem Stuhl auf, als habe man ihn gestochen. »Sie sind ein Glückskind, Pierre!« schrie er und hielt ihm die höllische runde Flasche hin. »Emanuel redet mit Ihnen wie mit einem vernünftigen Menschen! Garçon, wenn Sie jetzt auf Draht sind, können Sie Ihr Glück machen!«
    Um acht Uhr war der Betrieb in den Hallen auf das Minimum des normalen Tagesverkehrs reduziert. Pierre stellte seinen Gabelstapler ab, Adolph packte seine Zeitungen ein, aß drei Bananen, rülpste mehrmals mit Genuß und machte sich auf den Weg zu dem Bistro ›Chez Toi‹, das den Hallen gegenüber lag und wo man sich nach einem arbeitsreichen Morgen mit einer Zwiebelsuppe erfrischte.
    Von dem großen Callac zu dem reichen Thierry, dachte Pierre und gönnte sich ein Riesenbrötchen mit Schweinemet am Stand von Madame Savin. Mein Glück beginnt, Formen anzunehmen. Auf einmal ist die Welt nicht mehr feindlich. Sieht man, daß ich Ev im Herzen trage …?
    *
    Das Wetter hatte sich geändert. Der Morgen, der über Paris aus dicken Wolken quoll, hatte es schwer, sich mit seinem trüben Licht durchzusetzen. Der Herbst gab seine Visitenkarte ab. Zu früh für Paris, in dessen Boulevards noch die Fülle eines sonnenreichen, schweren Sommers nistete … schwer an Hitze, entblößter Mädchenschönheit und angestauten Auspuffgasen. Die Bäume auf den Avenuen trugen zwar schon die Farben eines lodernden Feuers, aber sie fielen noch nicht herab. Es waren die Tage, in denen auch ein Menschenfeind sich in Paris verlieben konnte.
    Madame Coco, schon seit der Frühe auf den Beinen, bereits den ersten Streit mit Monsieur Durant vom Kaufladen an der Place Sulpice hinter sich (es ging um einen Honig, der fünfzehn Centimes teurer geworden war), stieg hinauf zum ›Zimmer in Gottes Hand‹.
    Sie traf Ev an, wie sie vor der linken Wand saß und den Roman las. Das Zimmer war aufgeräumt, gefegt und gelüftet, die Betten gemacht, der Tisch gedeckt, auf dem kleinen Blechtisch in der Ecke alles vorbereitet zum Kaffeekochen. Sie wartete auf Pierre, als habe sie das schon seit Jahren getan, wenn er von den Hallen zurückkam. Sie trug das neue Kleid, diese orangene Flamme, und hatte die blonden Haare hochgesteckt mit Hilfe einiger Büroklammern, die sie in Pierres Malkasten gefunden hatte.
    »Er wird gleich kommen«, sagte Madame und blickte auf ihre Armbanduhr. Sie war ein winziger Fleck auf dem dicken Handgelenk, einem schwarzen Pickel ähnlich. »Es ist ein Hungerleben, ma petite.« Sie setzte sich mit einem Seufzer auf den alten Plüschsessel, den sie mit dem Bett für Ev hinaufgetragen hatte. Sie hatte ihre wilde rote Mähne etwas in Form gebracht, soweit das überhaupt möglich war, und bekam dadurch ein erstaunlich angenehmes Gesicht. Früher – wie lange mochte das her sein? – mußte sie eine Schönheit gewesen sein. Sie nistete noch unverkennbar in den Augen und in der Form des Kopfes, in den Lippen und der schlanken Nase, die wie ein Fremdkörper zwischen den aufgeschwemmten

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