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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wurde so etwas wie der Ruhehafen der russischen Taxichauffeure, die, wenn sie eine Pause machten, bei Cosima Lebrun einen Apéritif oder einen ihrer berühmten Kuchen vertilgten – an diesem Februar erschien bei Callac Madame Juana Blondiera.
    Madame Blondiera bestand aus Schmuck … was dann kam, war unwichtig. Sie galt als die reichste Witwe von Paris, unterhielt noch so etwas wie einen ›Salon‹ mit einem ›künstlerischen Zirkel‹ (in unserem Jahrhundert ein geradezu fossiles Überbleibsel), kannte jede und jeden, war gefürchtet wegen ihres scharfen Mundwerkes und eben deshalb von allen auch umschmeichelt, denn wen sie in der Kerbe hatte, dem nahm kein Hund mehr im Bois de Boulogne eine Scheibe Brot aus der Hand.
    »Maître de Sangries soll mich malen!« sagte sie zu Callac. Sie sagte tatsächlich Maître, was Callac einen heimlichen Schauer über den Rücken jagte. Wenn Madame Blondiera von Pierre als Meister sprach, hatte er theoretisch Paris erobert. Callac hatte an diese Möglichkeit nie gedacht, nahm seine sich sofort beschlagende Brille ab und putzte sie umständlich. Pierre als guter Durchschnitt – gut und schön, das konnte man akzeptieren, aber als ›Maître‹?! Irgendwie spürte nun auch Callac, daß die Zeit über ihn hinweggerollt war. Die Begegnung mit Madame Coco, pardon: mit seiner geliebten Cosima, hatte ihm schon den ersten seelentiefen Stoß versetzt. Man kann sechzig Jahre eben nicht stillstehen lassen, nur weil sie so schön gewesen waren. Jedes Jahr hat seine eigenen Schönheiten, jede Generation hat ihr eigenes unvergeßliches Glück, jedes Jahrzehnt baut in und um den Menschen etwas Neues und sich immer mehr Vollendendes auf. Vielleicht war auch Pierre de Sangries der Maler seiner Zeit, nur Callac erkannte es nicht.
    »Wie soll er Sie malen, Madame?« fragte er etwas heiser.
    »Wie?« Sie blickte an sich herunter. Ihr Schmuck funkelte in den Scheinwerfern der Galerie Callac. »Glauben Sie als Akt, Monsieur? Sie lieber galanter Spötter, haha!« Sie hakte die Daumen in eine lange Perlenkette und hob den Kopf ins Licht. »Natürlich als Portrait. Zwei mal zwei Meter …«
    »Das wäre gigantisch, Madame«, wagte Callac einen Einwand. Dieser Kopf, zwei mal zwei Meter … das erschlägt jeden! Das erschlägt auch den Namen Pierre de Sangries.
    »Das Bild kommt in meine Halle. Kennen Sie meine Halle, Monsieur?«
    Natürlich kannte Callac die Halle von Madames Villa in Neuilly.
    »Ich werde es Monsieur de Sangries sagen«, meinte Callac vorsichtig. »Es wird nicht billig sein.«
    »Callac … Geldfragen unter uns?« sagte Madame konsterniert.
    »30.000 Francs. Madame.«
    »Anzahlung? Natürlich!« Madame Blondiera griff in die Handtasche und holte ein Scheckbuch hervor. Maître de Sangries, dachte Callac. Jetzt hat man's schriftlich als unbestechliche Zahl. 30.000 Francs Anzahlung!
    Als Madame Blondiera gegangen war, trank Callac eine halbe Flasche Kognak in seinem Büro, und Ev hinderte ihn nicht daran, als sie den Grund erfuhr. Dann inhalierte und sprühte er wieder Menthol in seine Mundhöhle, um neue Kunden zu bedienen.
    Habe ich nicht behauptet, auch ein Februar in Paris kann schön sein?
    *
    Da Pierre nur in seinem ›Zimmer in Gottes Hand‹ malte (obgleich ihm Callac angeboten hatte, ein großes Atelier einzurichten, direkt am Seineufer), ergab es sich, daß Madame Blondiera in die Rue Princesse mußte. Sie fuhr in einem Cadillac vor, mit einem livrierten Chauffeur, der sich in dieser Umgebung fühlte, als habe man ihn auf eine Pirateninsel voller potenter Mörder verschleppt. Er blieb in seinem riesigen, schwarzpolierten Autoschiff sitzen, mit hochgekurbelten, verriegelten Scheiben, und las verzweifelt die Zeitung, als ein Heer schmutziger Kinder um dieses Wunderwerk von Auto herumlungerte und es bestaunte. Die Nachbarschaft hing in den Fenstern – soweit sie nicht zur Arbeit war –, und Madame Coco mußte Auskunft geben (beim täglichen Gang zum Markt), wer da in ihr Haus gekommen war.
    »Eine feine Dame«, sagte sie. »Kommt herein, sieht mich, erkennt sofort meine Bedeutung und sagt: ›Madame, habe ich die Ehre mit Madame Lebrun? Ich bin bei Maître de Sangries angemeldet. Wenn Sie die Güte haben, mich ihm zu melden?‹ Das ist Stil, ihr Affen! So spricht man unter Damen, ihr Kretins!«
    Dann zog sie weiter zu den Gemüseständen, wo man sich schon im voraus bekreuzigte. Preisschilder an den Kisten und Körben existierten für Madame Coco nicht … sie machte die eigenen

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