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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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betreute.
    »Nach Versailles«, sagte Ev und lehnte sich in die Kunststoffpolster zurück. »Marquis, wir werden im Schloß erwartet.«
    »Natürlich! Marquise haben ja heute Ihren großen Tag.«
    Sie fuhren auf die Route nationale Nr. 185, und Pierre gab Gas. Der alte Motor röhrte auf … auch Greise können noch singen.
    »Wie nennen wir ihn?« fragte Ev und drückte Bouillon an sich. »Er muß einen Namen haben.«
    »Er wird uns in die Welt tragen«, sagte Pierre. »Über viele Straßen, die unsere Straßen werden. Er soll heißen ›Mes Rues‹! Einverstanden?«
    Meine Straßen … Ev nickte und stützte das Kinn auf Bouillons Kopf. Sie sah Pierre an und war glücklich, daß er so fröhlich war und hinter dem Steuer saß wie ein Junge in einem Karussellauto.
    Meine Straßen … Pierre, ich fahre mit dir in jeden Winkel der Welt.
    »Im Sommer möchte ich in die Provence«, sagte sie. »Wir können es uns leisten, Pierre de Sangries.«
    »Und in die Camargue«, sagte er. »Auf weißen Pferden werden wir zu den Flamingoherden reiten …«
    Dann schwieg er, sicherlich, um sich auf den Straßenverkehr zu konzentrieren. Aber er dachte hinter seinem fröhlichen Gesicht: Gott im Himmel, laß mich im Sommer noch aufrecht gehen! Ist es nicht möglich, Gnade auszuteilen, wenn man begonnen hat, an diese Gnade zu glauben …?
    *
    Der Februar wurde ein Mistmonat. Nicht für Pierre und Ev, aber für alle die, denen man gesagt hatte, Paris sei zu jeder Jahreszeit schön, man müsse das nur erkennen und spüren. Aber wer hat schon soviel Gespür, heute, in unserer so gefühlsarmen Welt, daß er vereiste, glatte Straßen, pfeifende, widrige Winde, wie Leichen in einen trüben Himmel ragende Baumalleen, vermummte schöne Frauen, die wie Vogelscheuchen aussehen und eine graue, trübe, mit Eisschollen bedeckte Seine, in der ein dunkler Klotz steht – die berühmte Nôtre Dame? – auch noch als schön empfindet und sich irgendwo in dieser Stadt hinstellt, den Mund aufreißt und ehrlich sagt: »Formidable!« Selbst die Madelaine entlockt diesen Ausruf nicht mehr … Paris im Februar, an einem solchen Februar, ist weder wundervoll noch einmalig, weder riesig noch überwältigend.
    Nur für den Pariser! Man sollte sie (auf jeden Fall) beneiden.
    Beneidet wurde auch ›Mes Rues‹, dieses grüne Vehikel, das Bouillon den Rang ablief, das häßlichste Ding von Paris zu sein. Bouillon schien das zu ahnen, denn nachdem er viermal glücklich neben Pierre und Ev auf der vorderen Bank gesessen und in den Straßenverkehr geblickt hatte, Polizisten grundsätzlich anknurrte und sich Pierres Schimpfen anschloß, wenn ein anderer Autofahrer die Vorfahrt nicht beachtete oder sich sonst idiotisch benahm … später hockte er auf der hinteren Sitzbank, biß ein paarmal heimlich in die Polster und pinkelte gegen ›Mes Rues'‹ Reifen, Kotflügel, Kühler und Kofferraum, wo immer er dazu Gelegenheit und wütende Lust empfand. Selbst Callac, seit Wochen gegenüber Pierre von einer fast krankhaften Toleranz, sagte einmal: »Lieber Pierre, tun Sie mir einen Gefallen – parken Sie Ihren Laubfrosch nicht vor meiner Galerie. Ich habe weder Kunden – noch Maler, die so etwas fahren! Es schadet meinem Renommé. Warum kaufen Sie sich auch solch ein Ding? Können Sie sich jetzt keinen besseren Wagen leisten? Wenigstens einen guten Renault. Bis zu einem Jaguar haben Sie's noch weit –«
    ›Mes Rues‹ schaffte Eis und Schnee, glatte Straßen und klirrend kalte Morgen, als habe er einen Motor, der auf nichts reagierte. Außerdem rumpelte er auf Sommerreifen herum, und daß bisher noch nichts passiert war, schrieb das ›Gebetbuch‹ nur seinem Spezialsegen zu, den er bei der Taufe dem Vehikel hatte zukommen lassen: »Erobere alle Straßen mit Gottes Hilfe, und wenn du irgendwo am Straßenrand verreckst, sei der Teufel mit dir!«
    Es muß doch irgendwie einen Nutzen haben, einen angehenden Pfarrer als Freund zu haben.
    Ende Februar – Ev machte wieder die Büroarbeit bei Callac, Pierre malte seine sonnendurchfluteten Landschaften, wie er sie von seiner Kindheit her in Erinnerung hatte, Ponpon, der einäugige Schlangenmensch, war auf Tournee mit einem kleinen Zirkus und schrieb aus Italien, er könne seine berühmte Doppelverknotung nicht mehr, weil er zuviel Spaghetti gefressen habe, das ›Gebetbuch‹ studierte und diskutierte weiter, der ›Rote Henry‹ lief sich die Schuhe durch, um Kurzgeschichten und Werbespots an den Mann zu bringen und Madame Coco

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