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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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das, was sich oben unter dem Dach vollziehen sollte, aber niemand brauchte einzugreifen und Pierre zu verprügeln. Nur das ›Gebetbuch‹ wandelte vom Erdgeschoß bis unters Dach hin und her, eingedenk seiner priesterlichen Pflicht, mit gutem Zuspruch gute Taten auszulösen. Nach Callacs Silvesterfeier, auf der man Pierre de Sangries als große Entdeckung feierte und der ›Rote Henry‹ ungebremst die Verlobung zwischen Pierre und Ev bekanntgab, begleitet von einem Psalmspruch des ›Gebetbuches‹, schien sich Pierre nur noch für seine Arbeit zu interessieren. Er malte, während die anderen noch das neue Jahr beschliefen, und er malte, als der kritische 2. Januar kam. Er malte auch am 3. Januar, und am 19. Januar, als Pierre noch immer an der Staffelei saß und die Pont d'Iéna malte, dieses grandiose Brückenbauwerk mit seinen riesigen Adlern auf den Pfeilern und den Reitergruppen an den vier Enden, sagte Madame Coco zu den immer noch wechselnden Katastrophenwachen: »Ihr könnt aufhören, Jungs. Ich habe das Bild gestern gesehen. Ein einziger Mensch steht auf der Pont und blickt ins Wasser. Und wer ist's? Na, ratet mal.«
    »Und wie ist es mit dem Arzt?« fragte Wladimir Andrejewitsch. »Wann sollen wir Pierre zu ihm bringen? Seine Haut wird immer gelblicher.«
    »Ich weiß es nicht.« Madame hob die gewaltigen Arme. »Er malt wie ein Besessener. Soll man ihn da wegreißen? Man weiß ja nie, was man richtig oder falsch tut bei einem Künstler …«
    Am 24. Januar kauften sich Pierre und Ev einen Wagen. Sie hatten noch den Gutschein von Hubert Bader, und Ev bestand darauf, ihn auszunutzen, auch wenn Pierre jetzt genug Geld hatte, den Wagen selbst zu bezahlen.
    Es war kein neues Auto … Fürst Globotkin als Fachmann fuhr mit ihnen zu einem Gebrauchtwagenhändler, und dort stand ein Vehikel, das eigentlich dazu dienen sollte, zu demonstrieren, was ein Auto im Laufe seines Lebens alles aushalten kann. Der Händler bot es gar nicht erst an, aber Bouillon stürzte sich auf diesen Wagen, sprang durch die offene Tür hinein und setzte sich auf den Hintersitz. Dort legte er den Kopf in den Nacken und stieß einen Laut aus, der so häßlich war wie er selbst.
    »Den nehmen wir!« sagte Pierre.
    »Monsieur –«, stammelte der Händler entsetzt. »Ich habe einhundertsieben gute Wagen, die alle preiswert und gepflegt –«
    »Bouillon gefällt er. Das zählt!«
    »Wollen Sie ein Auto für einen Hund kaufen, Monsieur?«
    »Auch das! Was kostet er?«
    »Vierhundert Francs …« Der Händler starrte hilfesuchend zu Fürst Globotkin, aber der hob nur leidend die Schultern.
    »Fahrbereit?« fragte Pierre.
    »Natürlich!«
    »Und nicht nur bis zur nächsten Ecke?«
    »Eine Saharadurchquerung hält er nicht mehr aus«, sagte der Händler. »Und bergab ist er immer noch schnell! Jahrgang 1960, Monsieur …«
    »1960 …« Pierre legte den Arm um Ev. »Da war ich 15 Jahre. Ich besuchte die Schule von Concarneau in der Bretagne und riß damals zum erstenmal aus, weil ich noch das Bettlerleben gewöhnt war. Wir nehmen ihn, Monsieur.« Und dann, bitter, aus dem Hintergrund, folgte der Satz, der Ev im Ohr blieb: »Mich hält er noch aus. Wir holen ihn übermorgen ab –«
    Draußen sagte dann Fürst Globotkin: »Das war das letztemal, daß ich euch beraten habe. Das ist kein Auto, das ist ein Haufen Rost auf Rädern! Wenn ihr damit an mir vorbeikommt, werde ich euch nicht grüßen.«
    Am 10. Februar – so lange dauerte es – war das Auto fahrbereit, neu lackiert und hatte eine Zulassungsnummer. Bouillon taufte es, indem er an den linken Hinterreifen pinkelte, ein Sympathiebeweis, der nicht hoch genug zu bewerten war. Dann saß er zwischen Pierre und Ev auf der vorderen Sitzbank und knurrte leise, als der Motor ansprang und das Vehikel aus der Autowerkstatt rumpelte.
    Vor ihnen lagen die Straßen von Paris, vor ihnen lagen aber auch alle Straßen Frankreichs, Europas und der Welt, ihrer Welt, die sie jetzt auf vier Rädern erobern würden, Stück um Stück, mit jener tiefen, in Glück getauchten Freude, wie sie nur der Jugend zu eigen ist.
    Es war ein grüner Wagen geworden, mit einem weißen Verdeck. Der Motor summte, nachdem er warm geworden war, mit jener leisen Melancholie, mit der Veteranen sich an vergangene Lieder erinnern.
    »Wohin?« rief Pierre, als sie die Werkstatt verlassen hatten. Sie lag am Rande von Saint-Cloud, die letzte Empfehlung von Fürst Globotkin, weil diese Werkstatt auch einen Teil der Taxis

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