Liebe ist staerker als Haß
nicht daran, ihr zu folgen. Eher würde sie im Leben das Bett nicht mehr verlassen.
Sie zitterte immer noch am ganzen Körper, als die Frau wieder vor dem Bett erschien. Noch dringlicher als zuvor winkte sie Zared, ihr zu folgen.
Zared schüttelte verneinend den Kopf. Sie würde nicht mit einem Geist irgendwohin gehen. Bestimmt war es ein Howard-Geist, der wußte, daß sie eine Peregrine war.
Die Frau öffnete den Mund, und Zared hob abwehrend die Hände. Würde die Frau Feuer speien?
Nach einer Weile ließ Zared die Hände sinken. Die Frau war noch da. Ihre Miene war sanft und geduldig.
»W-wer seid Ihr?« stammelte Zared. »Was wollt Ihr von mir?«
Die Frau streckte beide Hände in einer bittenden Geste aus.
Wieder schüttelte Zared den Kopf. »Nein«, flüsterte Zared. »Ich will nicht mit Euch gehen.«
Der Gesichtsausdruck der Frau wurde immer drängender, flehender.
»Nein!« rief Zared laut. »Ich will nicht.«
Die Frau sah sich im Gemach um, als suche sie etwas.
Zared fürchtete schon, verrückt zu sein. Doch allmählich gewöhnte sie sich an den Anblick der Frau. »Was sucht Ihr?«
Die Frau sah Zared an und deutete auf ihre Haare.
»Ja, sie sind kurz. Ich mußte sie abschneiden, wenn ich zu meinem Mann wollte. Sie werden schon wieder wachsen.«
Wieder und wieder zeigte die Frau auf sie, und jedesmal dringlicher. Zared überlegte, was sie wohl meinte. Inzwischen war ihr klargeworden, daß der Geist nicht eher verschwinden werde, bis er etwas von Zared erhalten hatte. Sie zerbrach sich den Kopf darüber, was die Frau wohl an ihren Haaren so fesselnd finden mochte.
»Das ist genauso verzwickt wie das Rätsel«, murmelte Zared. Kaum hatte sie das gesagt, als die Frau heftige Gesten vollführte.
»Das Rätsel?« fragte Zared, und die Frau nickte nachdrücklich. »Ihr habt etwas mit dem Rätsel zu tun?« Wieder nickte die Frau.
Leise wiederholte Zared den Text des Rätsels. Bei der letzten Zeile sah sie die Frau scharf an. Durch sie hindurch sah sie den Eichentisch. »>Dann werdet ihr es wissen<«, zitierte sie, und ihr Gesicht hellte sich auf. »Der Bruder meines Mannes ist tot. Und nun ist er der Eine.«
Die Frau nickte. Ihre Miene zeigte, daß sie erleichtert war, weil Zared sie verstanden hatte.
»Ihr seid hier, um es mir zu sagen.«
Wieder nickte die Frau.
Zared legte sich in die Kissen und schloß die Augen. Jetzt war sie der Lösung des Rätsels ganz nahe. Der Lösung der Frage, wem die reichen Ländereien gehörten. Doch sie konnte nur denken: Gott, warum hast Du mich auserwählt? Wäre die Lösung Rogan oder Severn offenbart worden, die hätten gewußt, was zu tun war, aber Zared wußte es nicht. Wenn es sich herausstellte, daß das Land ihrem Bruder gehörte, sollte Zared es dann ihrem Mann wegnehmen und ihrem Bruder übergeben? Oder schuldete sie auch in dieser Frage dem geliebten Ehemann die Treue? Konnte sie ihrem Mann das Land wegnehmen? Sie hatte Tearle über die Veränderung berichtet, die mit Rogan vor sich gegangen war, und daß er auch seinen Haß überwunden habe. Aber hatte sie die Wahrheit gesagt? Wenn Rogan Beweise dafür in die Hände bekam, daß das Land ihm gehörte, würde er es dann Tearle wegnehmen und ihn zum Bettler machen?
Als sie die Augen aufschlug, war die Frau immer noch da. Geduldig wartete sie auf Zareds Entscheidung.
Zared seufzte. Es war sinnlos, sich gegen das Schicksal zu wehren. Aus irgendeinem Grund war sie dazu auserkoren worden, der Fehde ein Ende zu machen.
Langsam stieg sie aus dem Bett und legte ihre Männerkleidung an. Vielleicht war es besser, wenn sie alles erfuhr, als weiterhin nichts zu wissen.
Schließlich drehte sie sich zu der Frau um, die immer noch auf sie wartete. Zared holte tief Atem. »Ich bin bereit.«
Die Frau musterte Zared von oben bis unten. Zuerst meinte Zared, sie mißbillige ihre Kleidung. Doch dann kam ihr der Gedanke, daß sie wahrscheinlich eine Verwandte von ihr war, von ihr und von Tearle. Denn sie selbst und Tearle waren Cousins. Deshalb sah die Frau ihren Nachkommen wahrscheinlich so prüfend an. Zared war froh über die Erkenntnis, daß die Frau sie noch nie gesehen hatte, denn das bedeutete, daß sie ihr nicht nachgeschlichen war, um sie heimlich zu beobachten.
Die Frau glitt jetzt durch die Tür nach draußen. Zared machte die Tür auf und spähte auf den Flur hinaus. Es war niemand da. Aber in den eisernen Behältern an den Wänden brannten Fackeln und verbreiteten helles Licht auf dem Flur.
Auf
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