Liebe ist staerker als Haß
Vorfall heute morgen erfahren und eine Erklärung verlangen.«
»Du kannst ihm ja sagen, daß du Knaben lieber magst als ...«
Er war entsetzt. »Wer hat dir denn von solchen Dingen erzählt?«
»Anne Marshall«, sagte sie einfach. »Oh, Tearle, sie ist eine unerhört interessante Frau. Sie weiß über alles Bescheid. Sie hat Liana und mich fasziniert. Wenn sie sprach, hingen wir an ihren Lippen.«
»Diese Frau sollte lieber ihren Mund halten.«
»Diesen hübschen Mund?« sagte Zared. »Sie ist eine schöne Frau, nicht wahr?«
»Schön und giftig wie eine Schlange. Sag mal, wie kommt denn Severn mit ihr zurecht?«
Zared lachte. »Ich glaube, sie mag ihn sehr gern. Wahrscheinlich versteht er sie oft genausowenig, wie Liana und ich aus ihr klug werden. Aber in solchen Augenblicken überschüttet er sie einfach mit Küssen und nimmt sie in sein Gemach. Manchmal glaube ich, daß sie ihn extra dazu provoziert.«
Das wiederum brachte Tearle zum Lachen. Vielleicht war es sein großer Fehler, daß er zu viel auf Frauen hörte. Vielleicht sollte er es lieber wie Severn machen: eine Frau, die anfängt, Reden zu schwingen, schnell mit ins Bett nehmen!
»Und was hast du sonst noch von Anne gelernt?« fragte er. Heimlich hoffte er, Anne hätte sie ausgefallene Liebessteilungen gelehrt.
»Sie hat das Rätsel gelöst.«
»Im Rätsellösen dürfte Anne Marshall hervorragend sein«, sagte Tearle in dem Tonfall, den die meisten Männer anwenden, wenn sie von klugen Frauen sprechen. »Was war es denn für ein Rätsel, das sie gelöst hat?«
Obwohl sich Anne vorgenommen hatte, eine vollkommene Ehefrau zu werden, konnte sie sich einen mißgünstigen Blick auf Tearle wegen seiner Unwissenheit nicht verkneifen. »Das Peregrine-Rätsel.«
»Verzeih mir meine Dummheit, aber ich kenne mich in deiner Familie eben nicht so gut aus wie du.«
»Ich möchte wetten, daß dein Bruder das Peregrine-Rätsel kennt.«
Dazu bemerkte er nichts, sondern gab ihr nur durch einen Blick zu verstehen, daß sie weitersprechen solle.
Sie sagte ihm den Text des Rätsels auf. »Anne erzählte uns, sie habe auf Burg Bevan so wenig zu tun gehabt - ich glaube, Severn hatte Sorge, sie würde fliehen, und ...«
»Daran hat dein Bruder gutgetan«, sagte Tearle leise.
Sie überhörte es, denn sie mochte sich nicht gern vorstellen, was zwischen ihrem Bruder und seiner widerspenstigen Frau auf Burg Bevan alles vorgefallen war. Als das Thema einmal in Gegenwart seiner Männer zur Sprache gekommen war, waren sie blaß geworden und hatten in der Erinnerung immer noch ungläubig die Köpfe geschüttelt. Das waren für Severn frische Wunden.
»Anne sagte uns, der Text beziehe sich auf Haarfarben.« Als Tearle nicht gleich zu verstehen schien, fuhr sie fort: »Rot und Schwarz: Haarfarben.« Und nach kurzer Unterbrechung: »Rogans und Lianas Erstgeborener hat...«
»Der Knabe, dem ich das Leben gerettet habe?« fragte er mit Unschuldsmiene.
»Ihr erstes Kind hat rote Haare wie sein Vater. Aber der zweite Sohn hat schwarzes Haar wie Rogans Mutter.«
»Und das hat etwas mit dem Rätsel zu tun?«
»>Wenn aus Rot und Weiß Schwarz wird<«, zitierte sie. »Verstehst du? Rogan hat rote und Liana weißblonde Haare, und sie haben ein schwarzhaariges Kind.«
Tearle lächelte. Er hatte verstanden. »Und die zweite Zeile?«
»>Wenn Schwarz und Gold eins werden.<«
»Annes schwarzes und Severns goldblondes Haar.«
Zared sah ihn bewundernd an. Er war wirklich klug. »Und die dritte Zeile bezieht sich auf uns beide. >Wenn der Eine und das Rot sich mischen.<«
Er lächelte, wurde dann aber ernst. »Mit dem Rot könntest du gemeint sein. Aber >der Eine< kann sich nicht auf mich beziehen, denn ich bin ja nicht der einzige Howard-Sprößling. Wie lautet die letzte Zeile des Rätsels?«
»>Dann werdet ihr es wissen.«<
»Was wissen?«
Sie ließ sich mit der Antwort ein wenig Zeit. »Anne und Liana meinen, es bedeutet, daß wir dann wissen werden, wem das strittige Land wirklich gehört.« Sie wagte nicht, ihn dabei anzusehen. Denn ein Sieg ihrer Brüder bedeutete die Niederlage für ihren Mann. Es war nicht so, daß sie den Besitz unbedingt für sich selbst wünschte, aber sie wollte auch nicht erleben, daß ihr Mann ihn verlor. Andererseits wünschte sie auch nicht, daß ihre Brüder etwas einbüßten, was ihnen von Rechts wegen zustand.
Tearle erriet aus ihrer Miene, was sie dachte. »Das ist ein Problem, nicht wahr?« Er verschwieg seine Befriedigung darüber, daß
Weitere Kostenlose Bücher