Liebe kennt keine Gefahren
einem spöttischen Blick vom Kopf bis Fuß und hielt sich dann sein Taschentuch vor die Nase, als könne er den Fischgeruch, den ihre Kleider verströmten, nicht mehr ertragen. »Das sehe ich. «
Sie ging auf ihn los. Er war größer als sie; doch seine Binden und Polster, die ihn zwangen, leicht gebeugt zu gehen, glichen den Größenunterschied aus. »Es gibt keine Worte, die verächtlich genug sind, dein Verhalten zu beschreiben. Du läßt dich von einem Mann, der unsere Landsleute ruiniert, mit Geld schmieren, damit du dir seidene Anzüge leisten kannst. «
Als sie Alex auf den Leib rückte, vergaß er, was sie gehört hatte, und daß er sie daran hindern wollte, das Gehörte weiterzusagen. Er sah nur noch ihre Augen, die vor Wut und Leidenschaft blitzten, und ihre Brüste, die nur wenige Zentimeter von seinem Leib entfernt auf und ab wogten. Sie fuhr fort, ihn anzuschreien und mit Namen zu belegen, wie sie noch keine Dame ihm gegenüber gebraucht hatte; doch er hörte das alles nicht. Als ihre Lippen ganz dicht vor seinem Mund waren, hielt sie plötzlich inne und wich einen Schritt zurück. Alexander holte tief und geräuschvoll Luft, und Jessica sah ihn verwirrt an, während ihre Lider rasch auf und nieder gingen.
Alex fing sich rasch wieder und blickte mit sehnsüchtigen Augen auf das Meer hinaus. Er wäre am liebsten ins Wasser gesprungen, um sich abzukühlen. »Und wem willst du das nun weitererzählen? « fragte er schließlich, ohne sie dabei anzusehen. Er war sich nur zu sehr ihrer Nähe und der Abgeschiedenheit des Strandes bewußt und sich nicht sicher, ob er eine solche Gelegenheit nicht ausnützen würde.
»Die Leute von Warbrooke haben Angst vor Pitman, weil er den König vertritt — von der englischen Marine ganz zu schweigen. Aber vor dir haben sie keine Angst. Wenn sie wüßten, was Nate heute morgen belauscht hat, würden sie dich teeren und hängen. Sie würden dich keine Minute länger leben lassen. Sie verlangen einen Sündenbock für das, was Pitman Josiah angetan hat. «
»Was willst du also mit dem, was du gehört hast, anfangen? «
»Es würde deinen Vater umbringen, wenn er es erführe. « Sie blickte hinunter auf den felsigen Strand. Nicht weit von ihr entfernt stand ein zur Hälfte mit Muscheln gefüllter Korb, die sie offenbar hier eingesammelt hatte.
»Vielleicht kann ich dir deine Entscheidung erleichtern. « Er bemühte sich, unbefangen und gelassen zu erscheinen, ihr nicht zu zeigen, daß er vor Tatendurst und Verlangen fieberte. »Wenn du es anderen weitersagst — auch nur deiner erwachsenen Schwester —, wird deine Familie dafür büßen. Bis jetzt hast du ja noch ein Dach über dem Kopf und genügend Nahrung für deine Geschwister. « Er betrachtete seine Fingernägel. »Und sie erfreuen sich noch alle ihres Lebens. « Er sah ihr plötzlich ins Gesicht.
Etwas in ihm krampfte sich zusammen, als er bemerkte, daß sie seinen Drohungen glaubte. Gab es denn niemanden hier in der Stadt, der ihn sein ganzes Leben lang gekannt hatte und nun aufstand und sagte; »Alexander Montgomery würde so etwas niemals tun? «
»Du... du würdest dich nicht trauen. «
Er sah sie nur an, gab sich keine Mühe, etwas darauf zu erwidern.
»Im Vergleich zu dir ist Pitman noch ein Engel. Denn was er tut, macht er bis zu einem gewissen Grad im Auftrag seines Landes. Aber bei dir ist es die reine Habsucht. « Sie drehte sich auf den Absätzen, als wollte sie gehen, schwang aber dann, einem Impuls folgend, wieder herum und schlug Alex mit der Hand ins Gesicht. Dabei stieg eine Puderwolke von seiner Perücke auf.
Alex hatte die Ohrfeige kommen sehen, jedoch nichts getan, um ihr auszuweichen. Jeder, der sich an diesem Tag so viel hatte anhören müssen wie sie, hatte das Recht, die Ursache seiner Leiden zu ohrfeigen. Er krallte die Finger in die Polster auf seinen Schenkeln. Es verlangte ihn danach, sie in die Arme zu nehmen und zu küssen.
»Ich bedauere dich«, flüsterte sie, »ich bedauere uns. « Sie drehte sich um und hielt ihren schlanken Körper kerzengerade, während sie die Klippe zum Wald hinaufstieg.
Kapitel 4
»Ben Sampson wird alles verlieren, was er besitzt. Denke an meine Worte«, sagte Eleanor. Sie arbeitete mit Jessica in der Küche der Taggert-Hütte. Jess kochte das Essen, und Eleanor machte sauber.
»Möglich«, gab Jessica mit milder Stimme zurück. »Aber es könnte auch sein, daß er einen guten Profit mit seiner Ladung macht. « Sie hatte gestern abend ihr kleines
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