Liebe kommt auf sanften Pfoten
hat nicht getrauert. Er fühlte sich schuldig . Schuldig, weil er zu ihren Lebzeiten nicht netter zu ihr gewesen war. Nur dank der Hilfe unseres Priesters, Father Nolan, waren die beiden zusammengeblieben. Und Daddys Art und Weise, mit ihrem Tod zurechtzukommen, war, sie in seiner Vorstellung zu einer perfekten Frau zu machen. Von diesem Tag an hatte keine andere Frau mehr eine Chance bei ihm. Alle haben versucht, ihn mit den bezauberndsten Frauen zu verkuppeln, doch sie alle kamen nur völlig schockiert zurück und erklärten: ›Ich hatte ja keine Ahnung, dass Theresa das Brot selbst gebacken und sich sogar noch um Mrs Flynn gekümmert hat, als sie selbst schon Krebs hatte!‹«
»Aber Ben und ich haben uns wirklich nie gestritten!«, protestierte Juliet. »Jedenfalls nicht richtig. Wir haben uns immer einigen können.« Ihr Kopf fühlte sich heiß an. So war das nicht vorgesehen gewesen! Emer sollte traurig darüber sein, welch tolle Ehe sie durch Bens Tod verloren hatte. Stattdessen erlebte Juliet immer wieder Rückblenden zu dem Gespräch, das sie mit Louise geführt hatte. In dem Louise ihr nämlich gesagt hatte, sie solle aufhören zu heulen und zu jammern, und stattdessen darüber hinwegkommen. Und dass sie, falls sie je vor die Wahl gestellt würde, sich zwischen einem Mann, der Budgetkalkulationen erstellte und Handwerkerarbeiten in Eigenregie erledigte, und einem Mann, der ihr das Gefühl gab, aus purem Sex und Blüten zu bestehen, zu entscheiden, ganz genau wisse, für wen sie sich entscheiden würde.
Danach hatte sich die Unterhaltung auf gefährliches Terrain begeben. Auf verdammt gefährliches Terrain.
Emer sah zu ihr hinüber und musterte ihre geröteten Wangen.
»Nie? Nicht ein einziges Mal? Ach, komm schon! Es gab nicht einmal Streit, weil er die Toilettenbrille hinterher nicht wieder heruntergeklappt hat? Oder wegen Regalen, die er nie repariert hat?«
»Nein.« Juliet kam sich ziemlich stur vor. Wenn sie aufhörte, an den Rettungsring einer perfekten Ehe zu glauben, dann …
»Dann muss er dich irgendwie mit Drogen zugedröhnt haben«, schloss Emer. »Denn je größer die Liebe, desto schlimmer die Streitereien. Und desto länger dauert die Versöhnung. Wenn ihr nie gestritten habt, seid ihr dann nicht nur Mitbewohner gewesen?«
Emer schaute sie mit ihren grauen Augen freundlich, aber scharfsinnig an. Ihr Blick und ihre ungeteilte, unvoreingenommene Aufmerksamkeit fingen an, Juliets Abwehr zu durchbrechen.
»Natürlich war nicht immer alles eitel Sonnenschein«, gab Juliet schließlich zu. »Wir hatten gehofft, eine Familie zu gründen, aber es sollte irgendwie nicht sein, was dazu führte, dass alles ein wenig …« Sie suchte nach einer geeigneten Formulierung. Die Blicke. Die Zweifel. Das Schweigen, wo es zuvor keines gegeben hatte. »… deprimierend war. Außerdem arbeiteten wir beide freiberuflich, was dazu führte, dass Geld immer knapp war; dann kamen noch die neuen Hypothekenzahlungen und die Wirtschaftskrise hinzu.« Prima. Die Wirtschaftskrise – damit bewegte sie sich wieder auf sicherem Terrain. Daran war immerhin niemand schuld.
Weil Emer schwieg, füllte Juliet mit weiteren Bekenntnissen die Stille. »Manchmal war ich ziemlich angespannt, wenn es um das Thema Geld ging, während Ben einfach mehr der ›Es kommt, wie’s kommt‹-Typ war. Wenn man in den Zwanzigern ist, ist auch nichts dagegen einzuwenden, aber …« Sie sah zu den Collagen an der Pinnwand hinüber und musterte anschließend eingehend die riesigen Rolling-Stones-Poster an der Wand, um Emers Blick auszuweichen.
Natürlich hatten sie sich gestritten. Just in jenem letzten Jahr hatte es immer wieder bei gewissen Themen Auseinandersetzungen gegeben, bei denen sie sich früher stets darauf geeinigt hatten, einfach unterschiedlicher Meinung zu sein. Kleine Streitereien um wichtige Dinge und große Streitereien um unwichtige, belanglose Dinge.
Zwei Tage vor Bens Tod hatten sie ihren ersten richtig erbitterten Streit gehabt, der von einer wirklich dummen Sache entfacht worden war: Er hatte ihr nicht gesagt, dass er die Steuer für den Kastenwagen bereits gezahlt hatte, weshalb sie das Geld noch einmal überwiesen und damit das Konto überzogen hatte. Dies hatte sich jedoch als Kettenreaktion erwiesen; nach der ersten beiderseitigen Runde der »Warum erzählst du mir nie was?«-Beschuldigungen hatte Ben sie angeschrien, dass er keine künstliche Befruchtung wolle, obwohl Juliet ihm gegenüber davon nie etwas
Weitere Kostenlose Bücher