Liebe kommt auf sanften Pfoten
vermutete, dass es selbst uralten Freunden von Emer ebenso ging.
»Wie habt ihr beide das denn gemacht, als ihr aufs College gegangen seid? Komm schon, mir kannst du’s ruhig sagen. Hattest du nicht mal ein oder zwei heimliche Uni-Flirts?«
»Wir sind gar nicht erst von hier fortgegangen. Ich bin hier zum Catering College gegangen, und Ben hat ein Jahr lang Gartenbau in Birmingham studiert. Er ist jeden Tag gependelt – Birmingham ist schließlich nicht so weit weg, außerdem war es so ganz praktisch.«
»Du lebst also schon immer hier? Wolltest du nie mal wegziehen? Ein bisschen was von der Welt sehen?« Jetzt gab sich Emer keine Mühe mehr, ihre Überraschung zu verbergen.
Juliet erinnerte sich daran, wie überrascht Lorcan darauf reagiert hatte, dass sie nie wirklich verreist waren. Sie hatte das Gefühl, sich verteidigen zu müssen.
»Hier hatte ich alles, was ich je wollte«, protestierte sie. »Meine Familie ist immer für mich da – meine Mum und mein Dad wohnen auch immer noch in demselben Haus wie nach ihrer Heirat!« Doch noch während sie dies sagte, spürte sie den Hauch einer alten Gefühlsregung, die sie lange Zeit so fest unterdrückt hatte, dass sie fast verschwunden gewesen war. Es hatte nämlich mal eine Zeit gegeben, in der sie ziemlich gern auf Reisen gegangen wäre.
Emer schien beeindruckt zu sein. »Wow. Aber eine Familie ist eben unbezahlbar.« Sie erhob sich vom Küchentisch und ging zum Kühlschrank hinüber, wo sie sich kühle Luft zufächelte. »Schön zu wissen, dass es so perfekte Ehen tatsächlich gibt – und sie nicht nur in kitschigen Liebesliedern besungen werden.«
»Ich habe nicht behauptet, dass unsere Ehe perfekt war …«, begann Juliet. Nun, angefacht durch Emers Reaktion, züngelte dieses Gefühl in ihrem Magen und entzündete sich an der dürren Trockenheit vieler dicht zusammengepackter Gedanken.
»Bei dir klingt es aber so, als sei sie perfekt gewesen«, entgegnete Emer.
»Das war sie auch«, protestierte Juliet. »Jedenfalls die meiste Zeit über. Das ist auch der Grund, warum ich mich ängstige, mit jemand anderem etwas Neues anzufangen. Ben kannte mich in- und auswendig. Er kannte mich sogar besser als ich mich selbst. Der Gedanke daran, all das wieder von vorn durchzumachen mit jemandem, der mich eben nicht so gut kennt und mich wahrscheinlich auch nie so gut kennen wi…« Mitten im Wort hielt sie inne und schloss den Mund. Überlegungen sprudelten da aus ihr heraus, über die nachzudenken sie sich bisher nicht einmal erlaubt hatte.
Emer holte sich eine Cola und eine Dose Oliven aus dem vollen Kühlschrank und schloss dann wieder die Tür. Sie bedachte Juliet mit einem langen, gedankenverlorenen Blick. Mit ihren wilden kupferfarbenen Locken und der seltsamen Kaftan-Tunika, die sie über ihren Jeans trug, sah sie wie eine keltische Fruchtbarkeitsgöttin aus – wenn denn die Götter neuerdings bei Monsoon einkaufen gingen.
»Darf ich dir einen Rat geben?«, fragte sie schließlich.
»Solange du mir nicht irgendwas davon erzählst, dass die Zeit alle Wunden heilt oder ich mir eine Katze anschaffen soll …«, erwiderte Juliet. Sie gab sich Mühe, unbeschwert zu klingen, doch sie bemerkte selbst ihren angespannten Tonfall.
»Meine Mum ist gestorben, als ich fünfzehn Jahre alt war«, erzählte Emer. »Es war, als sei sie quasi über Nacht durch die Jungfrau Maria ausgetauscht worden. Mein Dad behauptete steif und fest, sie hätten sich niemals gestritten oder je eine Nacht getrennt voneinander verbracht. Weder habe sie des Öfteren gerne einen über den Durst getrunken, noch sei sie – Gott bewahre! – schuld an dem Fritteusenbrand, der beinahe unser gesamtes Haus abgefackelt hätte. Wir haben Mummy vermisst, ganz ehrlich, aber nach ein oder zwei Jahren haben wir Dad auf Knien angefleht, wieder zu heiraten. Er konnte sich nicht einmal allein ein Sandwich zubereiten.«
Sie verdrehte die Augen. »Ich habe die Möglichkeit aufgegeben, mit der besten Metal-Band, die Cork je hervorgebracht hat, in einem Transit nach Norwegen zu fahren, weil mein Daddy weder sich noch die Hunde allein versorgen konnte.«
»Vielleicht hat er immer noch getrauert«, wandte Juliet ein. »Schließlich kann man Trauer nicht mit einer Deadline versehen.«
Was ziemlich albern war – weil sie selbst genau das getan hatte, nicht wahr? Ein Jahr.
O Gott, ich bin nicht besser als die anderen, dachte sie. Ich wiederhole auch nur typische Trauer-Phrasen.
Emer deutete auf Juliet. »Er
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