Liebe kommt auf sanften Pfoten
großen Pfeiler? Juliets Laune verschlechterte sich. »Reißt ihr da drüben Wände heraus?«
»Möchten Sie jetzt den Kuchen oder nicht? Sonst würde ich ihn nämlich gern essen.«
»Ich nehme ihn«, erwiderte Juliet schnell. »Sagt eurer Mum danke, aber ich hoffe inständig, dass dieser Krach nicht den ganzen Tag anhalten wird.« Juliet hielt inne. »Und richtet das auch bitte eurem Onkel Lorcan aus.«
Die Mädchen starrten sie an – nicht mit argwöhnischem Blick, sondern mit einer Neugier, für die sie noch viel zu jung waren.
»Was machen Sie eigentlich?«, fuhr Roisin fort. »Warum sind Sie nicht bei der Arbeit?«
Florrie stieß ihr den Ellbogen in die Seite. » Roisin ! Nicht fragen!«
»Ich muss jetzt leider los«, erwiderte Juliet. »Mit den Hunden. Hoffentlich geht es hier wieder leiser zu, wenn ich zurück bin.«
Nach einer kurzen Dusche stand Juliet drinnen vor der Haustür und bereitete sich auf die Außenwelt vor. Dazu stopfte sie sich eine Tüte mit Trockenfutter, ein paar Hundekotbeutel und Bens Trillerpfeife in die Jackentaschen, bevor sie ihre Umhängetasche auf Handy, Geldbörse, Taschentücher, Pfefferminzbonbons und den Hausschlüssel überprüfte – ihr Rettungspaket, falls sie jemandem über den Weg lief, der sie kannte und sie fragte, wie sie zurechtkam …
Warum tust du dir das überhaupt an?, fragte eine seidenweiche, überzeugungskräftige Stimme in ihrem Kopf. Gleich um zwei Uhr liefen im Fernsehen Die Girls von St. Trinian. Häng doch Minton Mums Schrittzähler um den Hals und jag die beiden ein paar Runden durch den Garten. Gib Roisin und Florrie ein paar Pfund dafür, dass sie den Hunden Bälle werfen.
Juliet schloss die Augen und zwang sich dazu, ihre Antriebslosigkeit zu überwinden, doch als sie die Augen wieder öffnete, saß Minton vor ihr und starrte sie an. Er zitterte vor Aufregung angesichts der Aussicht, gleich einen Spaziergang zu machen – selbst wenn er dafür sein Geschirr tragen musste. Dennoch kratzte er weder an der Tür noch zog er an der Leine.
Auch Coco schien sich schon zu freuen.
»Oh, Minton!«, rief Juliet und bekam ein schlechtes Gewissen. Bis vor Kurzem noch hatte seine Welt aus ganz Longhampton und sämtlichen Gärten im Umkreis von zwanzig Meilen bestanden. Jetzt gab es dagegen nur noch das Haus. Und den Weg am Kanal entlang, wenn er viel Glück hatte.
Ich nehme einfach meinen iPod mit, dachte Juliet. Wenn ich mir die Stöpsel in die Ohren schiebe, muss ich mich mit niemandem unterhalten. Ich komme raus, stehe aber für Unterhaltungen nicht zur Verfügung.
»Gebt Gas, ihr zwei!«, rief sie den Hunden über den anschwellenden Lärm von nebenan hinweg zu. »Ich will spätestens zur Versteigerung bei Flog it! wieder zu Hause sein!«
Juliet stellte das Auto auf dem kostenlosen Parkplatz neben der Bibliothek ab und machte sich auf den von Diane vorgeschriebenen Weg zum Gemeindepark. An dessen Ende angelangt durchquerte sie das große Tor und stieg den Hügel hinauf zum Forstwirtschaftsweg.
Dieser Weg lag zwar still und leise vor ihr, doch sicherheitshalber stellte Juliet ihren iPod an – die Musik verbannte sämtliche Gedanken aus ihrem Kopf und deutete anderen Spaziergängern an, dass sie für eine Unterhaltung nicht zu haben war. Forsch lief sie los, um mit Minton, der geschäftig irgendwelchen Spuren hinterherschnüffelte, Schritt zu halten. Als sie den Weg hinunter zum Kanal einschlugen, ließ sie ihren Blick über die Landschaft schweifen. Mittlerweile war ihr diese Route zwar vertraut, aber dennoch entdeckte ihr wachsamer Blick, der durch Bens begeisterte Erklärungen zur Botanik geschult war, die Unterschiede in den wild wachsenden Hecken: Die Brombeersträucher und Brennnesseln waren nach ein paar Regentagen in die Höhe geschossen und wuchsen üppig, und entlang der Hecken öffneten sich überall weiße Blüten.
Coco und Minton entdeckten offenbar überall Neues, blieben alle paar Meter fasziniert stehen und schnüffelten leidenschaftlich an etwas herum. Minton hinterließ stets seine Visitenkarte, eine »Pieselmarke«, wie Diane es nachsichtig bezeichnet hatte.
Juliet war felsenfest entschlossen, sich niemals in einen solchen Hundebesitzer zu verwandeln und Witze dieser Art zu machen.
Als sie sich allmählich dem Stadtzentrum näherten, begegneten ihnen ein paar Leute, die Juliet vom Sehen her kannte – die Frau, die von ihrem Basset durch die Gegend gezerrt wurde und in Longhampton ein Café betrieb, in dem Hunde erlaubt waren,
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