Liebe lieber lebenslänglich: Roman (German Edition)
die immer größer und größer werden, wie ein gentechnisch verändertes Huhn.
Ich gebe ihm den Auszug.
»Oh«, stimmt er mir zu.
»Kommt ihr nicht herein?« Es ist Mum, die von der Veranda aus ruft.
»Rosemary«, sagt Danny und wirft die Abrechnung in meinen Schoß. »Du siehst hinreißend aus.«
In Gegenwart meiner Mutter verwandelt Danny sich immer in einen schleimigen Oberkellner, aber heute bin ich ihm dankbar dafür, weil mir das ein bisschen Zeit verschafft, um mich zu sammeln. Ich lege den Kontoauszug und die anderen ungeöffneten Briefe zurück ins Handschuhfach und klappe es wieder zu.
»Hey, Mum, hübsch siehst du aus«, sage ich und steige aus dem Wagen. Meine Mutter schenkt mir das glasige Lächeln, an das ich mich im Laufe der Jahre gewöhnt habe.
»Danny, ich habe mich gefragt, ob du für mich im Haus ein paar Glühbirnen auswechseln könntest. Du bist so schön groß«, flötet meine Mutter. Nicht im Sinne eines Instruments, sondern eines Flirts. »Und ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mal Zeit hättest vorbeizukommen, um den Rasen zu mähen.«
»Kein Problem, Rosemary.«
»Ich habe heute Morgen mit deinem Vater gesprochen, Grace.«
So schnell habe ich nicht damit gerechnet. Normalerweise wartet sie bis zum Dessert. Dass Mum mit meinem toten Vater spricht, ist ein relativ neues Phänomen. Das war noch nicht so, als ich zu Hause wohnte, zumindest hat sie es nie erwähnt. In der ersten Zeit nach Dads Tod, als wir alle ein bisschen durcheinander waren, wachte Mum nachts immer auf und behauptete, Dad habe am Fußende ihres Bettes gestanden und sie beobachtet. Aber das dauerte nur ein paar Monate. Sie träumte oft von ihm, und hin und wieder erzählte sie davon, aber immer im Stil von »Ich habe geträumt, dein Vater und ich waren in Cornwall«, worauf ich gewöhnlich erwiderte »Ich war noch nie in Cornwall« oder »Cornwall soll sehr schön sein«. Es hatte nicht den Anschein, als würden ihre Träume Anlass zur Sorge geben, bis zu jenem Tag vor ungefähr drei Monaten, als meine Mutter mich im Büro anrief. Wendy stellte den Anruf mit ihrem Hilfe!-Gesicht durch. Das zieht sie manchmal, wenn jemand sich am Telefon etwas eigenartig anhört. Also nahm ich den Hörer ab.
»Hallo, Mum«, sagte ich.
»Grace, ich habe mit deinem Vater gesprochen.«
Es hörte sich an, als hätte sie eine Ewigkeit versucht, bei ihm durchzukommen, weil ständig besetzt war. Ihre Mitteilung war so sachlich, dass ich zu keiner Reaktion fähig war.
»Er … er …« Plötzlich klang sie ganz aufgeregt und hatte Mühe, die Worte herauszubringen. »Grace, du sollst kein Violett tragen.«
»Wie bitte?«
»Das hat dein Vater gesagt. Ich habe heute Morgen seine Stimme gehört. Und er hat gesagt: ›Gracie, zieh nichts Violettes an. Ausgerechnet Violett!‹« Sie verstummte kurz und wurde dann emotional. »Hast du etwas Violettes an?«, flüsterte sie.
»Ja.«
Sie keuchte entsetzt auf.
»Dann solltest du besser sofort nach Hause fahren und dich umziehen.«
Also tat ich das, und die ganze Zeit machte ich mir Sorgen, dass meine Mutter den Faden nun endgültig verloren hatte.
Ich spüre, dass Danny sich versteift. Das überrascht mich nicht. Wahrscheinlich hat er Angst, ich könnte wieder in den Wagen steigen und er seinen Sonntagsbraten verpassen, der in der Tat sehr gut riecht.
»So?« Ich versuche, beiläufig zu klingen, was die meisten Menschen unter diesen Umständen wohl schwierig finden würden. »Was hat er denn gesagt?«
»Er macht sich Sorgen um dich, Grace.«
»Warum? Weil ich violette Sachen anziehe?«
Ich nehme wahr, dass sich der perfekt durchgebogene Rücken meiner Mutter verspannt. Das macht sie immer, um Konfrontationen abzublocken. Sie spannt diverse Muskeln im Körper an, meistens den Rücken und den Kiefer, aber manchmal sieht man auch, dass ihr Arm plötzlich steif wird oder ihre Hand sich zusammenballt. Letzteres kann beunruhigend wirken. Als Dan das erste Mal ihre geballte Faust sah, zog er den Kopf ein.
»Nein«, antwortet sie mit gepresster Stimme. »Setz dich ruhig schon an den Tisch, Danny. Vielleicht kannst du den Wein aufmachen.«
»Sicher, Rosemary«, erwidert er. »Oh, das sind aber hübsche Blumen. Hast du einen Verehrer?«
Ich werfe ihm rasch einen Blick zu. Er deutet auf eine große Vase mit frischen Blumen, die auf dem Tisch steht. Ich habe schon seit Jahren keine frischen Blumen mehr in diesem Haus gesehen.
»Wer hat dir …?«, beginne ich, aber meine Mutter fällt mir ins
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