Liebe, Lust und Lesebrille
Schönheitswahn hin oder her: Die Frau im mittleren Alter hat einfach mehr zu bieten! Sie hat Charakter und Charisma. Sie kann auf eine persönliche Entwicklungsreise zurückblicken, die sie geprägt und zu derjenigen hat werden lassen, die nun so unverwechselbar ist. Sie ist eine interessante Gesprächspartnerin. Und sie hat manchmal auch eine erotische Ausstrahlung und Tiefe, von der junge Frauen noch weit entfernt sind. Das sollten wir uns hin und wieder klarmachen. Nicht ohne Grund schreibt schließlich der bekannte US-amerikanische Sexualtherapeut David Schnarch: »Zwischen Cellulitis und leidenschaftlichem Sex besteht ein enger statistischer Zusammenhang.« 5 Na, das lässt doch hoffen!
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Und wie ist das bei Ihnen so?
Positive Entwicklungen wahrnehmen und wertschätzen
Manchmal sollten wir innehalten und aufhören, kritisch unsere Falten zu begutachten und uns über unsere Speckpölsterchen oder andere kleinere »Mängel« zu ärgern. Selbstmitleid ist zwar manchmal ganz angenehm, auf Dauer aber auch keine Lösung.
Ein kleiner Perspektivwechsel kann da vielleicht ganz hilfreich sein: Überlegen Sie sich doch mal, wie Sie sich entwickelt haben:
In welchen Bereichen fühlen Sie sich besser, sicherer, wohler als früher?
Was mögen Sie an Ihrem Körper jetzt lieber als früher?
Mit welchen körperlichen Eigenschaften gehen Sie milder um als früher?
Was mögen Sie mittlerweile richtig gerne an Ihrem Körper?
Was finden Sie besonders schön an sich?
Was findet Ihr Partner/Ihre Partnerin besonders schön an Ihnen?
Was hat sich in Ihrer Sexualität positiv verändert?
Gibt es etwas, das Sie mittlerweile besser genießen können als früher? Woher kommt das Ihrer Ansicht nach?
Was trauen Sie sich jetzt, was Sie sich früher nicht getraut hätten?
In welcher Beziehung sind Sie selbstsicherer geworden, als Sie früher waren? Woran merken Sie das?
Von wessen Urteilen sind Sie mittlerweile unabhängiger als früher?
Wie kommt das Ihrer Ansicht nach?
Was haben Sie zwischenzeitlich gelernt, was Sie früher noch nicht so gut konnten?
Machen Sie diese Übung nicht, wenn Sie gerade besonders deprimiert sind, sondern wenn Sie sich gerade richtig gut fühlen. Legen Sie das Geschriebene anschließend in ein Schatzkästchen. An grauen »Keiner-mag-mich«-Tagen können Sie dann wieder mal einen Blick darauf werfen.
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Augen auf und durch: Loslassen und andere Entwicklungsaufgaben
Jung ist die Generation Lesebrille also nicht mehr. Aber auch noch lange nicht alt! Sie hängt eher so merkwürdig dazwischen. Die wichtigsten Lebensziele sind vielleicht schon erreicht. Die Kinder werden langsam groß, im Job läuft es mehr oder weniger, das kleine Domizil ist auch längst eingerichtet. Die Eltern werden vielleicht nun gebrechlich und brauchenHilfe bei der Pflege. Eingepfercht in berufliche und private Pflichten bleibt manchmal wenig Zeit für Muße und Besinnung. Und es wabert die bange Frage im Raum: Und nun? Soll das jetzt etwa alles gewesen sein?
Bei uns wurde der Anbruch dieser Lebensphase durch den Einzug einer ziemlich unspektakulären Lesebrille markiert. Manchmal sind es auch andere Erlebnisse, die den neuen Beginn dieses durchwachsenen Lebensabschnitts kennzeichnen. Etwa der Auszug eines Kindes, der einen plötzlich im wahrsten Sinne des Wortes »alt aussehen lässt«; eine unerwartete Krise im Job, die die Frage nach den ursprünglichen Berufszielen und -wünschen wieder hochkocht; die Wechseljahre, die durch Hitzewallungen und andere Unannehmlichkeiten auf die Endlichkeit der Fruchtbarkeit aufmerksam machen und uns zwingen, sich mit dem Thema »Weiblichkeit« zu befassen; eine saftige midlife crisis , die den Gatten massiv an sich und seiner Attraktivität zweifeln lässt. Aber auch ein besonderer Durchbruch, das Erreichen eines einst gesteckten Zieles kann nach der Freude durchaus das schale Gefühl hinterlassen: Und nun? Brauche ich ein neues Ziel? Oder kann ich einfach jetzt so perspektivlos vor mich hindümpeln? Das Wichtigste ist erreicht, was soll da schon noch kommen?
So schreibt die Autorin Carola Kleinschmidt in ihrem Blog Jung älter werden: »Manchmal entzückt mich das Leben in der gleichen Intensität wie mit 18. Aber häufiger sitze ich auch da und denke: Und wie jetzt weiter? Die Kinder sind da, ein netter Mann gefunden, ein paar Bücher geschrieben. Alle Ziele erreicht. Und so richtig neue sind nicht in Sicht, in die ich meine Energie, Vorfreude stecken möchte. Und überhaupt, neben den
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