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Liebe, Lust und Lesebrille

Liebe, Lust und Lesebrille

Titel: Liebe, Lust und Lesebrille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Roemer
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tatsächliche Lebensalter an als auf die jeweilige individuelle Lebenssituation und die eigene Entwicklungsphase. Der Begriff »Krise in der Lebensmitte« wird hier also eher als Synonym für eine bestimmte psychische Befindlichkeit in einer bestimmten Lebensphase verwendet. Er umschreibt weniger eine Zeitspanne als eine ganz normale Krise in unserem Leben, in der wir viel über uns lernen müssen, wenn wir sie erfolgreich meistern wollen.
Wechseljahre und midlife crisis: Mann und Frau in heißen Zeiten
    Doch nicht nur das Loslassen der größer gewordenen Kinder spielt in dieser Lebensphase für Frauen eine große Rolle. Denn oft sind ja auch schon die Wechseljahre im Anmarsch. Dabei umfasst der Prozess der Wechseljahre weit mehr als nur die langsame hormonelle Umstellung des weiblichen Körpers in den Unfruchtbarkeits-Modus und den (vermeintlichen) Verlust von Schönheit, Vitalität und Energie. Viele Frauen blühen in den Wechseljahren nämlich noch mal richtig auf, kaufen sich unkonventionelle Klamotten und scheren sich endlich mal einen Kehricht um die Meinung des spießigen Nachbarn.
    Aber es geht in erster Linie um inneres Wachstum, um Reifung. Es geht darum, sich intensiv auf sich selbst zu besinnen. Dazu gehört zum Beispiel auch, eine Art innere Bestandsaufnahme zu machen und seinLeben von überholten Glaubenssätzen und überflüssig gewordenen moralischen Grundsätzen zu befreien. Beides kann sehr befreiend sein und das Leben energetisch aufladen.
    Forschungsergebnissen zufolge verändert sich übrigens in den Wechseljahren nicht nur der Hormonhaushalt, sondern auch das neuronale Muster unseres Gehirns. Die Devise lautet also: Umstrukturierung. Im Gehirn, im Hormonhaushalt und im praktischen Leben.
    In den Wechseljahren zu sein, bedeutet auch inneres Großreinemachen und Entrümpelung: Raus mit dem Kram, der nicht mehr in unser Leben passt. Das können alte Möbel, überholte Verhaltensweisen und unliebsam gewordene Beziehungen sein.
    Männer haben in dieser kritischen Lebensphase manchmal andere Themen zu bearbeiten als Frauen, was in erster Linie mit den soziokulturell bedingten unterschiedlichen Geschlechterrollen zu tun hat. Noch immer sind es in der Regel die Frauen, die ihre Berufstätigkeit zugunsten der Kindererziehung zurückstecken, auch wenn es hier mittlerweile deutliche Veränderungen gibt. Doch obwohl immer mehr Mütter berufstätig sind, geben Männer selten zu Hause den Vollzeit-Daddy, und wenn, dann höchstens vorübergehend. Immer noch sind es die Männer, die kurz nach der Familiengründung ihr Fortkommen im Job forcieren und dann meist dauerhaft hartnäckig an ihrer Karriere basteln.
    Und genau das ist manchmal das Thema von Männern in der midlife crisis . Sie merken dann zum Beispiel bekümmert, dass sie zu viel Energie in ihren Job gesteckt und zu wenig Zeit mit den Kindern verbracht haben, als diese noch klein waren und sich darüber gefreut hätten. Sie fragen sich dann mitunter, ob sich das Gerackere um Geld, Anerkennung und einen bestimmten Posten wirklich gelohnt hat. Ob der Preis dafür vielleicht nicht doch etwas zu hoch war. An Erfolg und ein gutes Gehalt haben sie sich eventuell gewöhnt, es ist dann womöglich nichts mehr, worauf man besonders stolz ist. Ehe und Sex sind vielleicht über die Jahre ein bisschen langweilig geworden, und das Thema »Älterwerden« will ja auch angemessen verdrängt werden. Der Ausweg »attraktive junge Geliebte« scheint da vielen Männern gerade recht zu kommen.
    Aber es gibt mittlerweile auch ganz andere Entwicklungen, mit denen heutige Männer in der Lebensmitte zu kämpfen haben: Anders als vor zwei oder drei Jahrzehnten gibt es nämlich immer weniger klassische Berufsbiografien und gradlinig verlaufende Lebensläufe. Immer häufiger werden berufsbedingte Veränderungen wie etwa Arbeitsplatzverlust zu belastenden Faktoren. 50-Jährige sind heutzutage gar nicht so selten genötigt, sich einen neuen oder einen Zusatzjob zu suchen, denn weder Arbeitsplätze noch Renten sind sicher. Die Vorstellung, ein 50-jähriger Mann säße also gelangweilt und frustriert auf seinen wohlverdienten Lorbeeren, trifft sicher noch auf manche, aber längst nicht mehr auf alle zu. Es waren schlichtweg andere Zeiten, als der Psychotherapeut Jürg Willi in seinem Buch Die Zweierbeziehung 1975 schrieb: »Die berufliche Karriere des Mannes ist jetzt so weit festgelegt, dass deren zukünftiger Verlauf in relativ geringer Schwankungsbreite voraussehbar geworden

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