Liebe meines Lebens
Zum ersten Mal erschien ihr Gregoris fremd. Obwohl sie sich sagte, dass sie ein Recht darauf hatte, diese Fragen zu stellen, hatte er erreicht, dass sie sich jetzt billig vorkam.
“Ich bin entsetzt über dich, Olympia! Habe ich mir vielleicht falsche Hoffnungen gemacht? Bist du überhaupt noch Jungfrau, Olympia?” Mit angehaltenem Atem wartete Gregoris auf ihre Antwort.
“Ja”, erwiderte sie leise.
Erst in diesem Moment wurde ihr klar, wie wichtig es für ihn war, dass sie noch nie mit einem Mann geschlafen hatte. Sie war zwar erst siebzehn, aber wenn sie trotzdem schon Erfahrungen gemacht hätte? Hätte Gregoris ihr dann dieselben Gefühle entgegengebracht? Hätte er sie auch dann gebeten, seine Frau zu werden? Sie glaubte es nicht. Konnte ein Mann so empfinden, der eine Frau wirklich liebte?
“Entschuldige bitte meine unsinnige und überflüssige Frage.” Gregoris nahm ihre Hand. “Aber du warst bisher immer so zurückhaltend. Deshalb hat es mich völlig aus der Fassung gebracht, dass du dieses Thema überhaupt anschneidest, und ich bin misstrauisch geworden. Ich könnte es nicht ertragen, wenn dich schon ein anderer berührt hätte, Olympia.”
Sosehr sie Gregoris auch liebte und sich bemühte, ihn zu verstehen, diese Worte empörten sie und weckten ihren Widerstand. Wie dumm sie gewesen war, ihn für unerfahren zu halten! Nein, diese Rolle stand nur ihr, der Frau, zu. Für sie war tabu, was Gregoris ganz selbstverständlich für sich in Anspruch nahm. Er verlangte von ihr, dass sie zwei Jahre auf eine Erfahrung wartete, nach der sie sich so sehr sehnte – er verlangte von ihr, dass sie bis zur Hochzeitsnacht auf Zärtlichkeiten verzichtete!
“Angenommen … angenommen, wir warten, heiraten und merken, dass wir in dieser Beziehung gar nicht zueinander passen. Was dann?”
Gregoris zog seine Hand zurück, als hätte er sich verbrannt. Er war ungehalten, weil sie wieder auf das gleiche Thema zu sprechen kam und noch argumentieren wollte, nachdem er die Diskussion für beendet erklärt hatte. Ärgerlich schüttelte er den Kopf. “Sei nicht albern! Was ist heute nur los mit dir?”
Olympia biss sich auf die Lippe und schwieg. Das hieß jedoch nicht, dass sie sich damit abfand. Gregoris setzte ihr Grenzen, und das gefiel ihr nicht. Er verlangte von ihr, bis zur Hochzeitsnacht keusch und unnahbar zu bleiben, um dann von heute auf morgen verführerisch und sexy zu werden, weil sie dann einen Ehering am Finger hätte.
Olympia erwachte erst aus ihren Erinnerungen, als der Hubschrauber, der Gregoris und sie von London nach Southampton gebracht hatte, auf dem Deck der Yacht landete.
Sie war sprachlos, denn so groß hatte sie sich das Boot nicht vorgestellt. Natürlich hatte sie gewusst, dass Gregoris schon immer ein begeisterter Segler gewesen war. Aber vor zehn Jahren hatte er sie nie auf sein Boot mitgenommen, was Katerina zu gehässigen Bemerkungen veranlasst hatte.
Olympia überlegte noch, wie sie in ihrem langen Brautkleid einigermaßen elegant aus dem Hubschrauber steigen sollte, als Gregoris sie heraushob und übers Deck trug.
Ein älterer Mann in Uniform grüßte sie, und Gregoris stellte ihn ihr als den Kapitän vor, ohne sie dabei abzusetzen. Mit einem triumphierenden Lächeln trug er sie über ein riesiges Sonnendeck nach drinnen. Dort erst ließ er sie herunter. Der Teppich war so weich, dass ihre Füße förmlich darin versanken. Staunend blickte sie sich um. Bullaugen gab es hier nicht, sondern Fenster, die vom Boden bis zur Decke reichten.
“Das ist der große Salon”, erklärte Gregoris. Für einen Moment hatte sie ihren Kummer vergessen und bewunderte die geschmackvolle Einrichtung, die Bilder und kunstvollen Blumengestecke. “Die ‘Aurora’ ist mein zweites Zuhause. Sie hat alles, was ich brauche, so dass ich auch längere Zeit hier wohnen und arbeiten kann.”
“Sie ist unwahrscheinlich groß! Wie lang ist sie?”
“Einhundertzwanzig Meter. Ich freue mich schon darauf, sie dir morgen in Ruhe zu zeigen.” Er kniff die Augen zusammen und betrachtete sie lächelnd von Kopf bis Fuß. Stolz straffte sie sich, obwohl sie unter seinem Blick errötet war. “Du bist eine sehr verführerische Braut, Olympia.”
“Spar dir deine Schmeicheleien für Frauen, die dumm genug sind, sie dir zu glauben!” Bildete Gregoris sich etwa ein, er könnte sie überreden, mit ihm ins Bett zu gehen? Anscheinend hielt er sie immer noch für den naiven Teenager, der sie vor zehn Jahren gewesen war.
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