Liebe mit beschrankter Haftung
Moment, dass das die richtige Antwort ist. »Ich mache gar nichts.«
»Na also. Es geht doch.«
»Aber ich fühle mich nicht besonders gut damit«, seufze ich und sie schüttelt den Kopf.
»Selbstverständlich nicht. Wie denn auch? Dein Herz ist gebrochen und du musst ihm noch ein bisschen Zeit geben, zu heilen.«
»Und was muss ich dafür machen?« Sie leert ihr Glas in einem Zug und lächelt geheimnisvoll. Ich warte einen Moment ab, dann begreife ich.
»Lass mich raten: Nichts?«, frage ich mit einem schiefen Grinsen und sie nickt.
»Genauso ist es. Du musst lediglich dein Leben leben und aufpassen, welche Zeichen es dir gibt.«
»Was denn für Zeichen?«, frage ich neugierig.
»Du wirst sie schon erkennen«, antwortet Hilde und hebt die Hand, um die Kellnerin zu rufen. »Entschuldige mich, ich werde jetzt mal drüben nach dem Rechten sehen. Können wir die Rechnung haben?«
»Ich mach das schon«, sage ich, »fürs Zuhören.«
»Danke sehr.«
»Dann werde ich mal versuchen, meinen Artikel zu schreiben. Und nach Zeichen Ausschau halten natürlich«, füge ich hinzu.
»Mach das«, sagt sie lächelnd, beugt sich zu mir herunter und nimmt mich fest in die Arme. »Du wirst deinen Weg finden, hab Vertrauen«, flüstert sie mir ins Ohr. Dann drückt sie einen Kuss auf meine Wange, krault Idefix hinter den Ohren und richtet sich wieder auf. »Hoffentlich sehen wir uns bald wieder.«
Als ich mich gegen Mitternacht in meinem Bett zusammenrolle, nehme ich mir ganz fest vor, der Sache mit den Zeichen eine Chance zu geben. Eigentlich bin ich nicht besonders spirituell veranlagt, aber ein Versuch schadet ganz bestimmt nicht. Ich werde also die Augen offen halten, ob der eine oder andere Wegweiser auftaucht.
Am nächsten Morgen habe ich den Zeichenhokuspokus vergessen. Aber nur ganz kurz. Denn das Leben fängt mehr oder weniger sofort an mit dem Zeichengeben. Ich bin noch keine Stunde wach, da fühle ich mich wie einer von diesen bemitleidenswerten Welpen, die zwecks Erziehung zur Stubenreinheit mit der Nase in ihre Häufchen gedrückt werden. Eine Methode, von der ich, nebenbei gesagt, überhaupt nichts halte und über die ich schon mit mehreren Hundebesitzern bis aufs Messer gestritten habe. Leider scheint das Leben nach so völlig veralteten Methoden vorzugehen. Doch der Reihe nach:
Mich weckt ein krampfartiger Schmerz im Unterleib und ich schaffe es gerade noch rechtzeitig ins Badezimmer, um ein Blutbad in meinem Bett zu verhindern und meine schöne Satinbettwäsche für immer zu ruinieren. Vielleicht könnte man darüber diskutieren, ob das Einsetzen meiner Periode wirklich als Zeichen des Lebens zu bewerten ist. Sie kommt schließlich in schöner Regelmäßigkeit alle 28 Tage. Ich nehme eine Tablette gegen die Krämpfe und will gerade unter die Dusche gehen, als ich mitten in der Bewegung innehalte. Ungläubig starre ich die Frau an, die mir aus dem Badezimmerspiegel entgegenblickt und an der ich grundsätzlich nichts auszusetzen habe. Mittelgroß, schlank, mit großen braunen Augen und Sommersprossen auf der Nase. Mit sechzehn Jahren habe ich mich gehasst, aber ich glaube, das geht jedem Teenager so. Mittlerweile habe ich mich nicht nur mit meinem Aussehen angefreundet, nein, ich glaube ehrlich, dass ich ziemliches Glück gehabt habe. Dass ich eine hübsche Frau bin. Aber all das verblasst angesichts der Entdeckung, die ich gerade gemacht habe. Ich halte den Atem an und beuge mich über das Waschbecken, um mein Spiegelbild besser sehen zu können, neige meinen Kopf ein wenig und starre auf den Punkt, an dem sich mein schwarzes, glattes Haar scheitelt. Oder besser gesagt, an dem sich mein überwiegend schwarzes, glattes Haar scheitelt. Denn dort, ganz oben auf dem Kopf, entdecke ich ein einzelnes schlohweißes Haar. Vorsichtig taste ich danach und ziehe probeweise daran. Noch hoffe ich, dass es nicht zu mir gehört. Dass eine von Hildes Strähnen sich gestern bei unserer Umarmung auf meinen Schopf gelegt und sich dort irgendwie verheddert hat. Aber das Haar sitzt bombenfest. Es hat eine ganz merkwürdige Struktur, ganz anders als seine dunklen Geschwister. Irgendwie störrisch und drahtig ist es. Mit einer Mischung aus Grauen und Faszination lasse ich es durch meine Finger gleiten und frage mich gleichzeitig, wie ein zwanzig Zentimeter langes, weißes Haar über Nacht auf meinem Kopf erscheinen konnte. Sind die Pigmente von einer Sekunde auf die andere herausgefallen und befinden sich jetzt auf meinem
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