Kein Zweifel, meine zweitbeste Freundin nahm die Sache wie ein Mann.
Von: Timo Schweitzer <
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An: Mia Sommer <
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Betreff: Treffen
Hallo Mia,
nachdem unser Treffen am Samstag etwas unglücklich verlaufen ist, wollte ich mich jetzt noch einmal melden. Ich verstehe nicht, warum du mir vor allen Leuten diese Szene machen und dann weinend aus der Kirche laufen musstest. Das war weder dem Brautpaar noch meiner neuen Freundin Yvonne gegenüber sehr fair. Was hattest du auf der Hochzeit überhaupt verloren? Niemand schien dich zu kennen. Hast du mir etwa nachspioniert?
Wie auch immer, ich denke, dass diese Episode einmal mehr gezeigt hat, dass wir beide nicht zusammenpassen und wohl auch nie wirklich zusammengepasst haben.
Wir haben uns etwas vorgemacht, Mia. Deine rauschhafte Verliebtheit hat mich mitgerissen, aber mittlerweile habe ich erkannt, dass eine Frau wie Yvo einfach besser zu mir passt. Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft und hoffe, dass, sollten wir wieder einmal zufällig aufeinandertreffen, sich eine solche Szene nicht wiederholt.
Gruß,
Timo
Von: Mia Sommer <
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Betreff: Re: Treffen
HALLO Timo!
MEINE Verliebtheit hat dich also mitgerissen? Das ist ja hochinteressant. Bevor du dir weiter einredest, für mich nie mehr als nur lauwarme Gefühle gehabt zu haben, kann ich dich gerne daran erinnern, dass du mir nach nur einer Woche Beziehung gesagt hast, das Schlimmste für dich sei, dass wir irgendwann einmal sterben müssen und dann nicht mehr beieinander sein können. Aber bitte, wenn du das verdrängt hast, deine Sache. NEIN, ich habe dir nicht nachspioniert. Wenn du es genau wissen willst, ich war die Begleitung von Marko, einem guten Freund des Bräutigams. Das war der gut aussehende, dunkelhaarige Mann, der mir hinterhergelaufen ist, was eigentlich deine Aufgabe gewesen wäre, wenn du auch nur einen Funken Anstand im Leibe hättest. Dass das nicht der Fall ist, habe ich aber schon daran gemerkt, dass du nicht einmal die Höflichkeit besitzt, auf meine Neujahrsgrüße zu reagieren.
Schöne Grüße an die liebe Yvo, freut mich, dass du dich so schnell getröstet hast!
Gruß,
Mia
Von: Timo Schweitzer <
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An: Mia Sommer <
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Betreff: Re: Re: Treffen
1) Du hast Recht, genau das habe ich gesagt. Ein weiteres Indiz dafür, dass ich in dieser Zeit nicht ich selber war. Ich neige nicht zu derlei überschwänglichen Gefühlsäußerungen. Es kann nicht jeder so emotional sein wie du.
2) Wieso hätte ich dir nachlaufen sollen? Du warst doch bestens versorgt.
3) Was heißt hier schnell getröstet? Mia, jetzt sei nicht albern. Wir sind seit vier Monaten nicht mehr zusammen. Und ganz offensichtlich triffst du dich ja auch wieder mit jemandem. Du solltest hier bitte nicht mit zweierlei Maß messen!
4) Auf allgemeine Rundmails antworte ich grundsätzlich nicht, das musst du nicht persönlich nehmen. Ich finde einfach, dass es unnötig ist, den Telefongesellschaften dafür sein Geld in den Rachen zu werfen.
Gruß,
Timo
Kapitel 5
Am Montagmorgen sitze ich mit meinem Laptop im Café »Unter den Weiden«, starre auf den Monitor und muss mich schwer beherrschen, nicht hier und jetzt einen Schreikrampf zu bekommen, während ich die letzte, fein durchnummerierte E-Mail von Timo lese. Idefix, sensibel wie er ist, merkt natürlich sofort, dass irgendetwas mit Frauchen nicht stimmt, und fängt an zu winseln.
»Schon gut, alles in Ordnung«, sage ich und streichle über seinen struppigen Kopf. Aber eigentlich ist nichts in Ordnung. Rein gar nichts. Die Sachlichkeit meines Exfreundes hat mich schon immer die Wände hochgetrieben. Der tut ja gerade so, als würde es sich um einen Nachbarschaftsstreit wegen eines ins Grundstück hängenden Asts handeln und nicht um die Beziehung zwischen Liebenden, um gebrochene Herzen. Andererseits muss ich zugeben, dass es sich wohl lediglich um eine Liebende, um ein gebrochenes Herz handelt. Mein Exfreund scheint die ganze Sache längst zu den Akten gelegt zu haben. Eine unbändige Wut erfasst mich und ich setze gerade an, all meine Empörung in die Tasten zu hauen, als sich plötzlich ein Schatten über meine Tastatur legt.
»Hallo, Mia«, höre ich eine Stimme, die ich nicht sofort zuzuordnen weiß. Ich drehe mich um und sehe vor mir eine kleine, faltige Frau mit durchdringend grauen