Liebe mit beschrankter Haftung
und mit brennenden Oberschenkeln den sechsten Stock erreiche, platze ich mitten in einen dramatischen Abschied hinein. Eng umschlungen stehen Kati und Paul in dem winzigen Flur, dessen Boden über und über mit Schuhen bedeckt ist. Jetzt stößt meine Freundin einen Freudenschrei aus, lässt ihren Liebsten stehen und umarmt mich stürmisch.
»Schön, dass du da bist. Hab ich dich vermisst!«
»Ich dich auch. Hallo, Paul!«
»Hallo, Mia!« Er gibt mir zwei Küsschen auf die Wange. Gerade will er sich an mir vorbeidrücken, als Kati ihn wieder einfängt.
»Kannst du nicht noch bleiben und mit uns essen«, bettelt sie und bedeckt sein Gesicht mit Dutzenden von kleinen Küssen. Der arme Paul macht ein ganz gequältes Gesicht und sagt hilflos: »Aber du weißt doch, dass ich gleich ein Geschäftsessen habe.« Ja, das sieht man. Er trägt einen dunkelgrauen Anzug nebst weißem Hemd und blau-grau gestreifter Krawatte. Paul ist nämlich ein ziemlich hohes Tier bei der Sparkasse. Irgendwas mit Firmenkunden, ein richtiger Schlipsträger. Ganz nett und süß zwar, aber eben ein Schlipsträger. Wie so einer meiner lauten, flippigen und völlig unkonventionellen Freundin passieren konnte, die am liebsten wallende Hippiekleider trägt, sieben Studiengänge begonnen und keinen beendet hat und sich ihren Lebensunterhalt als Kellnerin in einer Szenekneipe verdient, ist mir nach wie vor ein Rätsel. Und ihr selbst wahrscheinlich auch. Während ich mich an den beiden vorbeizwänge und an der übervollen Garderobe vergeblich nach einem Platz für meinen Mantel suche, versucht Paul, sich sanft aus Katis Umklammerung zu befreien.
»Komm doch einfach ein bisschen später und trink wenigstens noch ein Glas Wein mit uns«, schlägt sie vor, um sich dann hastig selbst zu verbessern, »ich meine natürlich, ein Glas Traubensaft. Oder Milch. Oder Tee. Oder was auch immer.« Sie setzt ihre Kussattacke fort, während Paul die Kinnlade herunterfällt. Ich grinse in mich hinein. Paul und Zuspätkommen …
»Ich kann doch zu einem Geschäftsessen nicht zu spät kommen«, sagt er dann auch so entgeistert, als habe sie ihm vorgeschlagen, nackt dort zu erscheinen. Kati springt Paul auf den Arm und umschlingt mit ihren schlanken Beinen seine Hüften.
»Auch nicht für mich? Bitte, bitte, bitte. Nur fünf Minuten«, bettelt sie ihn an und schenkt ihm ihren schönsten Augenaufschlag. Jetzt kommt der Mann langsam in Bedrängnis. Er hält sie so vorsichtig in seinen Armen, als habe er es mit einer zerbrechlichen Porzellanpuppe zu tun und versucht gleichzeitig, ihren Küssen zu entkommen.
»Es geht wirklich nicht, Kati. Es tut mir leid. Und könntest du bitte … ich meine, mein Anzug …« Kati springt gespielt beleidigt von ihm herunter, sieht ihn aus ihren hellblauen Augen vorwurfsvoll an und schiebt die Unterlippe vor.
»Aber ich bin doch schwanger.« Und schon klebt er wieder an ihr, fasst ihr unters Kinn und drückt einen langen Kuss auf ihre Lippen. Idefix winselt zu meinen Füßen und angesichts meiner eigenen Stimmung kann ich das Liebesglück der beiden auch nicht besonders gut ertragen. Obwohl ich mich für sie freue. Wirklich.
»Herzlichen Glückwunsch übrigens, Paul«, sage ich deshalb laut, um darauf aufmerksam zu machen, dass ich auch noch da bin.
»Dankeschön.« Er strahlt mich an. »So, jetzt muss ich wirklich gehen.«
»Du bist ein schlimmer Spießer«, schimpft Kati.
»Ich weiß.« Mit einem letzten verliebten Blick zurück verschwindet er durch die Tür.
»Muss Liebe schön sein«, stelle ich fest und Kati macht ein schuldbewusstes Gesicht.
»Das war wohl nicht besonders sensibel von uns, hier vor deinen Augen rumzuturteln. Tut mir leid.«
»Ach, schon gut«, ich mache eine wegwerfende Handbewegung, »ich gewöhne mich langsam dran.«
»Ich kenne mich ja selbst kaum wieder. Ich bin so was von verknallt in ihn, dass ich einfach nicht die Finger von ihm lassen kann«, sagt Kati und beugt sich nun auch endlich zu Idefix hinunter, der seit geraumer Zeit an ihrem Fuß herumkaut, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. »Hättest du das gedacht? Dass ich mal bei einem angehenden Bankdirektor landen und eine Familie mit ihm gründen würde?«
»Nein«, sage ich stellvertretend für meinen Hund. »Aber er scheint sich ja wirklich auf das Kind zu freuen.«
»Wir freuen uns beide.« Sie streichelt versonnen über ihren noch vollkommen flachen Bauch, dann hakt sie mich unter und führt mich in ihre kleine Wohnküche, wo wir uns auf
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