Liebe mit beschrankter Haftung
dem verschlissenen, braunen Ledersofa niederlassen, das sie schon hatte, als wir beide noch zur Schule gegangen sind. »Was essen wir denn heute? Chinesisch? Japanisch? Pizza?« Sie blättert durch den auf dem Beistelltisch liegenden Ordner, in dem mehr als fünfzig Lieferservice-Karten abgeheftet sind. Ich zucke unschlüssig mit den Schultern.
»Mir egal.«
»Ich hab Lust auf Sushi. Was hältst du davon?«
»Klar.«
»Nein, halt, warte, das darf ich ja nicht. Kein roher Fisch in der Schwangerschaft. Mist. Aber vielleicht vegetarische Sushi. Das müsste doch okay sein, oder?«
»Bestimmt«, nicke ich und betrachte meine zierliche Freundin, die jetzt unsere Bestellung aufgibt. Mit ihrer immer leicht gebräunten Haut, den haselnussfarbenen Locken und blauen Kulleraugen sieht sie aus wie ein Püppchen, und dazu noch ein ziemlich teures.
»Sag mal, was ist denn los mit dir?«, erkundigt sich Kati und legt das Handy zur Seite. »Ist alles okay bei dir?«
»Na klar.« Nichts ist okay, gar nichts. Ich bin sechsunddreißig Jahre alt und wer sagt mir eigentlich, dass bei mir die Wechseljahre nicht möglicherweise auch schon vor der Tür stehen? Aber Kati sieht so glücklich aus, dass ich ihr nicht die Stimmung verderben will. »Erzähl mir von eurem Urlaub«, fordere ich sie deshalb auf. »War es warm auf Mallorca?«
»Nicht besonders. Aber es war einfach traumhaft. Ich bin ja so verliebt.« Sie nimmt meine Hände und ihre blauen Augen glitzern.
»Und du dachtest, es gibt die große Liebe gar nicht«, kann ich mir nicht verkneifen zu sagen. Kati ist nämlich eigentlich ein ziemlich verkopfter Mensch, dazu eine Zynikerin, wie sie im Buche steht. Sie betrachtet die Welt und damit auch die Liebe immer vom wissenschaftlichen Standpunkt aus und versucht eigentlich jedes menschliche Gefühl anthropologisch, evolutionsbiologisch oder verhaltenspsychologisch zu rationalisieren. Zumindest war das so, bis sie Paul kennengelernt hat.
»Ich muss zugeben, dass ich manchmal dachte, du übertreibst es mit deinem felsenfesten Glauben an die ganz große Liebe«, räumt sie großmütig ein. »Dass das alles nur Hirngespinste waren, genährt von deiner Vorliebe für schnulzige Filme. Oh, dabei fällt mir ein.« Sie lehnt sich über die Sofalehne und zieht ein in rosa Papier eingewickeltes Päckchen hervor. »Du bekommst ja noch dein Weihnachtsgeschenk. Bisschen verspätet, ich weiß. Aber von Herzen.«
»Dankeschön.« Eine Minute später halte ich »Die schönsten Filme von Rosamunde Pilcher« in den Händen.
»Und weißt du was? Im Moment bin ich so weichgespült, dass ich sogar einen davon mit dir gucken würde, wenn du möchtest.« Erwartungsvoll sieht sie mich an.
»Toll«, sage ich möglichst enthusiastisch, während Kati die Rückseite der DVD-Box studiert.
»Auf den Wellen der Liebe«, liest sie vor und kichert. »Mann, was für ein Kitsch.« Ah, da ist sie ja wieder, meine beste Freundin. Ich hatte sie schon verloren geglaubt. »Das ist genau der richtige Film für heute Abend.«
»Okay, warum nicht?« Das kam wohl nicht begeistert genug, denn sie sieht mich jetzt misstrauisch an.
»Du hast doch irgendwas? Ist es wegen Timo?« Natürlich habe ich ihr von unserem Treffen in der Hochzeitskirche bereits am Telefon erzählt.
»Nein, nein«, wehre ich ab. »Der hat nichts damit zu tun.« Was natürlich glatt gelogen ist. Natürlich hat der was damit zu tun. Alles sogar. Schließlich ist er dafür verantwortlich, dass ich mit meinen sechsunddreißig Jahren nun wieder alleine dastehe. Vier wertvolle Jahre hat er mir gestohlen. Vielleicht die entscheidenden Jahre. Mein Unterleib krampft sich schmerzhaft zusammen. »Ich hab bloß meine Tage«, erkläre ich Kati, die verständnisvoll nickt.
»O je. Du Arme. Ich bin richtig froh, dass ich davon für die nächsten sechs Monate verschont bleibe. Allerdings fürchte ich, das dicke Ende kommt danach.« Sie verzieht ihr Puppengesicht zu einer komischen Grimasse und rollt mit den Augen. »Dabei fällt mir ein, willst du ein Foto sehen?«
»Wovon?«
»Na, von Krümelchen.«
»Unbedingt!« Sie springt auf und pflückt ein Stück Papier vom Kühlschrank, das dort mit einem roten Herz-Magnet angepinnt war. Stolz hält sie mir das Ultraschallbild ihres Sprösslings unter die Nase. »Ist es nicht wunderschön?« Ich starre darauf und die unterschiedlichen Grautöne verschwimmen vor meinen Augen. Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, als Kati plötzlich hell auflacht und sich neben mich
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