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Liebe oder so

Liebe oder so

Titel: Liebe oder so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Montag
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großzügigen Betrag ein.
    „Unterschreibst du mit mir?“, fragte ich.
    „Was unterschreiben?“
    „Der Kunde kriegt nen Gutschein, weil er uns wegen des kaputten Rahmens mit seinem Anwalt gedroht hat.“
    „Davon hat mir keiner was gesagt.“ Er zögerte.
    „Hör zu, das ist alles schon abgesprochen. Wir kö nnen’s aber auch lassen, dann werde ich ihm nachher sagen, er soll sich an dich wenden. Ist mir nur recht, dann hab ich die Sache nicht am Hals. Ich arbeite eh nicht mehr lange hier.“
    „Gib her.“ Er riss mir den Gutschein aus der Hand und unterschrieb ihn.
    „Na, nicht viel los gewesen heute?“, meinte ich im Hinblick auf die paar Scheine in der Kasse.
    „Mit leeren Kassen hast du ja wohl mehr Erfahrung“, gi ftete er.
    „Mach dir nichts draus, du kriegst den Bogen schon noch raus“ , lachte ich, „und immer schön auf die Bilderwand aufpassen, sonst tust du dir noch weh!“
    Kühne wohnte zum Glück in der Nähe der Altstadt. Ich musste nur einmal umsteigen, was bei der Sperrigkeit des Bildes schon schwierig genug war.
    „Das nenne ich Service!“, rief er zur Begrüßung und bat mich hereinzukommen. Seine Frau nahm mir die Jacke ab, während er meine Arbeit überprüfte.
    „Und“, fragte ich, „sind Sie zufrieden?“
    „Fabelhaft .“ Liebevoll strich er über die Kanten des Bilderrahmens. „Wirklich fabelhaft. In Zukunft lasse ich meine Bilder nur noch von Ihnen persönlich rahmen. Wie war Ihr Name noch mal?“
    „May“, sagte ich, „aber ich muss Sie enttäuschen. Ich arbeite nicht mehr lange im Baumarkt und bin seit heute auch nicht mehr für Bilder zuständig.“
    Natürlich wollte er die Hintergründe erfahren, und ich ließ mich in meiner Wut und wegen seiner Komplimente für den Rahmen dazu hinreißen, sie ihm zu schildern. Seine Frau bot mir einen Kaffee an, und gemeinsam führten sie mich durch ihr Haus, in dem Hunderte von Gemälden dicht an dicht hingen. Es gab kaum eine freie Stelle, die Farbe der Tapete im Treppenhaus konnte man nur erahnen. Dem Ganzen haftete etwas Museales an, zumal auch die Möbel, die Teppiche, die Leuchten und sonstigen Accessoires aus vergangenen Jahrhunderten stammten.
    „Sind Sie Sammler?“, fragte ich.
    Kühne schmunzelte. „Sagen wir, die Dinge haben sich mit der Zeit ganz von alleine angesammelt.“
    Sie schienen an staunende Besucher gewöhnt zu sein und hielten für jede antike Lampe die passende Anekdote parat. Man hätte Jahre damit zubringen können, die Gegenstände in diesem Haus zu zählen, und obwohl ich einen anderen Einrichtungsstil bevorzugte, beneidete ich die beiden um ihre gemeinsame Vergangenheit, der sie sich tagtäglich stellten, und zwar mit größtem Vergnügen.
    „Ach ja, hätte ich fast vergessen“, sagte ich und zog den Gutschein aus der Tasche.
    „Was ist das?“
    „Nur eine kleine Aufmerksamkeit des Hauses. Ich war so frei.“
    Kühne lachte, als er den Betrag sah.
    „Was wär der Mensch ein traurig Wesen, hätt er die R ache nie gekannt“, zitierte er. „Nehmen Sie einen Scheck?“
    „Nein, danke. Ich möchte nichts davon abhaben, das hier ist für Sie.“
    „Aber was soll ich denn für so viel Geld dort kaufen?“
    „Es sind doch sicher noch mehr Bilder zu rahmen“, schlug ich vor. „Oder Sie kaufen Ihrer Frau eine Yucca-Palme, wir führen ne Menge Pflanzen.“
    Als ich das Haus zwei Stunden später verließ, hielt ich eine antiquarische Ausgabe des Faust im Arm. Kühne hatte darauf bestanden, sie mir als eine Art Mahnung zu schenken, immer gut auf meine Seele aufzupassen. Er meinte damit den Baumarkt, doch mir selbst kam merkwürdigerweise als Erstes Marie in den Sinn.

 
    16
     
    Ein paar Tage lang blieb es ruhig. Ich verrichtete meine Arbeit im Lager und gab mir alle Mühe, an gar nichts zu denken. Der tägliche Ablauf machte es mir leicht, ich musste mich nicht mit Bestelllisten, Verkaufszahlen und Besserwissern herumärgern, war nur eine Arbeitsameise unter vielen und fühlte mich jetzt viel ausgeglichener.
    Mit Marie hatte ich nur einmal gesprochen nach jener Nacht. Sie rief mich am nächsten Abend an und gab sich recht unverbindlich, ich fragte mich, ob ich das Ganze nur geträumt hatte. Vielleicht war sie schizophren oder ihr war die Sache mit mir im Nachhinein peinlich, keine Ahnung. Und dann erwähnte sie auch etwas zu häufig ihren Freund, diesen Jochen, mit dem sie offenbar immer noch zusammen wohnte.
    Sie ging mir nicht mehr aus dem Sinn. Mir wurde ganz anders, wenn ich an sie dachte,

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