Liebe oder so
musste am nächsten Morgen früh raus. Es war ein Genuss, mit diesem Schlitten unterwegs zu sein, besonders für einen Bus-Mitfahrer wie mich.
14
Kunden über Kunden strömten in den Baumarkt, und auch meine Ecke des Ladens blieb nicht von ihnen verschont. Vor allem die Frauen fühlten sich von den bunten, abstrakten Bildern angezogen, die ich mal seitlich, mal auf dem Kopf aufgehängt hatte, um für etwas Abwechslung zu sorgen, den Unterschied bemerkte sowieso keiner. Wieder zeigten sich die wenigsten kaufwillig, und wieder kam ich nicht recht zum Arbeiten. Immerhin schaffte ich es, den gestern reklamierten Rahmen zu erneuern, viel mehr war nicht drin. Mein Chef zog finstere Gewitterwolken hinter sich her, als er am Abend meine Kasse prüfte.
Ich machte einen kleinen Umweg und sah kurz in der A utowerkstatt vorbei. Der Meister war nicht da, aber einer seiner Gehilfen gab mir den Rat, mich schon mal nach was Neuem umzusehen. Ausnahmsweise regnete es nicht, dafür kam der Bus wieder zu spät und war bereits voll gestopft mit schwitzenden Menschen. Als die Türen sich öffneten, holte ich tief Luft und tauchte in die Menge ein.
Es gab Wochen, ja Monate, in denen ich das Gefühl nicht loswurde, die Tage wiederholten sich in all ihrer Scheußlichkeit immer wieder und die Hoffnung sei so weit weg wie der nächste Sommer. Im Augenblick schien ich mich in einer solchen Zeitschleife zu befinden. Meine Tage waren angefüllt mit Stillstand und einer vagen Ahnung meiner eigenen Nutzlosigkeit. Ich hatte keine Freundin mehr. Ich hatte kein Auto mehr. Ich hasste meine Vorgesetzten und verbrachte meine freie Zeit damit, vor dem Fernseher dahinzuvegetieren. Es musste sich was ändern, so viel stand fest. Aber bislang hatte noch keine gute Fee bei mir geklingelt.
Ich nahm mir vor, diesen einen Abend zu genießen. Jeden Tag kam ich todmüde von der Arbeit nach Ha use und schob irgendwelche Reste vom Vortag in die Mikrowelle, aber heute würde ich mir mal etwas gönnen. Beim Türken um die Ecke kaufte ich ein paar frische Sachen ein und bereitete mir ein exotisches Phantasiegericht zu, das im Wesentlichen aus Reis, Paprika, Chilischoten und Knoblauch bestand.
Während das Ganze sein Aroma entfaltete, entkorkte ich den Wein, den Sonja und ich uns für eine besondere Gelegenheit aufbewahrt hatten. Er war schwer und blutrot, wahrscheinlich verstieß man damit gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Das Telefon läutete, ich sah unwillkürlich auf die Uhr. Seltsam, um di e Zeit rief mich nie jemand an. Na ja, eigentlich rief mich in letzter Zeit ohnehin niemand an, egal zu welcher Zeit.
„Hallo?“
„Alex?“
„Ja?“
„Hier ist Johanna.“
„ - - - “
„ Also, eigentlich heiße ich Marie, aber das weißt du wahrscheinlich schon. - Hallo?“
„Ich bin noch dran“, sagte ich, „bin nur etwas erstaunt über deinen Anruf.“
„Ich weiß, ich hätte mich früher melden sollen“, meinte sie, „und dass ich dir nen falschen Namen gesagt habe, tut mir leid. Ich weiß auch nicht, warum ich das gemacht habe.“
„Was willst du?“
„Wie gesagt, mich entschuldigen. Und außerdem hab ich noch deine Jacke.“
„Fällt dir früh ein“, bemerkte ich. Die Jacke hatte ich schon abgeschrieben, aber jetzt kam der Ärger wieder in mir hoch.
„Ich weiß“, meinte sie kleinlaut.
„Und?“
„Und...?“
„Wolltest du mir das nur sagen, oder krieg ich sie z urück?“
„Kann ich sie dir denn vorbeibringen, ohne dass du mich umbringst?“, konterte sie.
„Darüber muss ich erst nachdenken“, sagte ich und ließ einige Sekunden verstreichen, um mich zu sammeln. „In Ordnung.“
„Fein. Ich bin in ner Viertelstunde da.“
Das war nun wirklich eine Überraschung. Ich wusste nicht, ob ich mich darüber freuen sollte oder nicht. Immerhin versprach Maries Besuch etwas Abwechslung, der Rest würde sich finden.
Ich ließ mein Essen auf kleiner Flamme weiterkochen und sorgte in meiner Wohnung ein bisschen für Ordnung.
Klar, ich war von dem Mädchen wie ein Idiot behandelt worden und wusste inzwischen, dass sie einen Freund hatte. Vielleicht aber war ja gerade das der Auslöser. Ich hatte nichts zu verlieren als meinen Stolz, und der war sowieso nicht mehr der alte.
Keine zehn Minute n später stand sie vor der Tür.
„Hi.“ Aus ihren Augen sprühten Funken, ich dachte, ich seh nicht recht.
Die ganze Zeit über hatte ich das unscheinbare Mädchen aus der Disco im Kopf gehabt, wenn ich an sie dachte, und nun
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