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Liebe oder so

Liebe oder so

Titel: Liebe oder so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Montag
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Aldi-Lichterketten und diesen scheußlichen Fensterbildern die Straße in ein zweites Las Vegas verwandeln. Dann legten sie beim Essen von Selbstgebackenem noch ein paar Pfund zu, sahen sich am Adventssonntag Doktor Schiwago an und wurden alle ganz rührselig.
    Im Gegensatz zu Sonja hatte ich die Vorweihnachtszeit nie besonders gemocht, und nun, da sie weg war, fehlte mir ihre Begeisterung dafür. Ein komisches Gefühl, mehr eine Ahnung von Einsamkeit kroch in mir hoch. Ich wusste, es war lächerlich, aber ich beeilte mich, wieder nach Hause zu kommen, um es in meinen eigenen vier Wänden abzuschütteln.

 
    17
     
    Marie sagte kein Wort. Sie saß nur da, die Tasse zwischen den Händen, und blies von Zeit zu Zeit über die Oberfläche ihres Tees, um ihn vorm Trinken abzukühlen. Ich ließ sie auf mich wirken und fragte mich, ob das wirklich das gleiche Mädchen wie neulich nachts war. Sie trug wieder ihre Stiefel und das Haar streng zusammengebunden.
    „Weißt du, normalerweise mach ich so was nicht“, meinte sie zur Einleitung.
    „Dich in Cafés verabreden?“, versuchte ich das Eis zu brechen.
    Sie sah von ihrem Te e auf. Es war ihr ernst. Wenn etwas in ihrem Blick lag, dann gewiss kein Lächeln.
    „Ich auch nicht“, sagte ich und räusperte mich.
    „Immerhin kennen wir uns kaum.“
    „Stimmt. Aber schön war es trotzdem, oder?“
    Wieder blies sie über ihren Tee und riskierte einen kle inen Schluck. „Ja, das war es.“
    Ich war etwas verunsichert, weil sie darauf bestanden ha tte, sich mit mir in diesem Café statt bei mir zu Hause zu treffen. Irgendwie schwante mir nichts Gutes, aber ich hütete mich davor, diesem Gefühl auf den Grund zu gehen.
    „Was ist, warum guckst du so“, fragte sie und sah an sich herunter, „hab ich mich verkleckert oder so?“
    Ich schüttelte den Kopf. „Nein.“ Mir fiel eine Menge mehr ein, das ich ihr sagen wollte, aber ich traute mich vorerst nicht aus meiner Deckung heraus.
    Ihr g ing es offenbar ähnlich. Ich spürte, dass sie mir etwas sagen wollte und nicht recht wusste, wie. Vielleicht bastelte sie ja in Gedanken gerade an ihrer Abschiedsrede und war nur hergekommen, um mich loszuwerden.
    Angesichts dieser Möglichkeit schaltete ich den Turbo ein und gab mein Bestes, Marie gar nicht erst zu Wort kommen zu lassen. Ich plauderte sie und ihre Gedanken einfach in Grund und Boden. Trotzdem war irgendwann der Punkt erreicht, an dem mir einfach nichts mehr einfiel. Also fragte ich sie direkt: „Willst du mich eigentlich wiedersehen?“
    Sie zögerte, eine Sekunde zu lange für meinen Geschmack, aber darüber sah ich großzügig hinweg.
    „Schon...“
    „Aber? Es kommt doch noch ein Aber, oder?“
    „Ich hab doch nen Freund...“
    „Das stört mich nicht“, log ich und verbesserte mich gleich, „na ja, es stört mich natürlich schon, aber ich kann verstehen, dass du nicht gleich alles übers Knie brechen willst.“
    „ Was meinst du damit?“
    „Na ja, das mit dir und mir… “
    „ Es gibt kein dir und mir “, warf sie ein. „Ich kenn dich doch überhaupt nicht! Und du mich genauso wenig.“
    Also das, das verblüffte mich nun doch. „Na und? Das kann man ja ändern. Außerdem mag ich geheimnisvolle Frauen.“
    „Vielleicht bin ich ja gar nicht so geheimnisvoll, sondern nur langweilig.“
    „ Glaub ich zwar nicht, aber kann sein. Wenn du mir was von dir erzählen würdest, könnte ich es selbst rausfinden.“
    „Da gibt’s nix rauszufinden.“
    „Dann mag ich dich eben, weil du so langweilig bist. Originelle Menschen gibt’s schließlich wie Sand am Meer.“
    „Ach !“ Sie winkte ab.
    „ Sagst du mir wenigstens, warum du mit mir geschlafen hast?“
    „Oho, geschlafen !“, wiederholte sie, als sei dies das Vulgärste, was ihr je zu Ohren gekommen war.
    Ihrem messerscharfen Blick hielt ich spielend stand , wenn mir etwas wichtig war, konnte mich so was nicht beeindrucken. Die Härte schwand aus ihren Augen, schließlich sah sie weg und griff nach ihrer Jacke.
    „Nicht!“ Ich fasste sie am Handgelenk, und zu meinem Erstaunen legte sie die Jacke wieder beiseite. Du lieber Himmel, wie ich diese Szenen hasste! Warum fanden wir uns bloß immer in solch entwürdigenden Situationen wieder?
    Früher hatte ich mir oft ausgemalt, wie toll es sein mü sse, wenn der Mensch auf ein Binärsystem aus lauter Jas und Neins ausgelegt wäre. Kein Liebeskummer, über den man hinwegtrösten musste, keine dieser grauenvollen Schmachtgedichte, kein rausgeworfenes

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