Liebe oder so
einen gewissen künstlerischen Anspruch sollte man schließlich auch bei Vandalismus wahren.
20
Helene kam vormittags mit einer Suppe und selbstgebackenen Kuchen bei mir vorbei. Ich hatte am Telefon blöderweise den Fehler gemacht, ihr von meiner Grippe zu erzählen, die sich wieder etwas verschlimmert hatte, und nicht bedacht, welche Folgen das haben würde. Seit drei Tagen bekam ich nun schon mein ganz persönliches Essen auf Rädern, ich war zu schlapp, um mich zu wehren.
Den Arzt hatte ich wechseln müssen. Montags stand ich erneut vor der Praxis, um mir meinen Kranke nschein verlängern zu lassen, an der Eingangstür hing ein Schild „Vorübergehend geschlossen“. Niemand reagierte auf mein Klingeln, aber im Treppenhaus begegnete ich dem Hausmeister, der mir mitteilte, der Doktor sei am Wochenende eingeliefert worden.
„Eingeliefert? Wo?“, fragte ich.
„Na, Sie wissen schon“, meinte er, „eigentlich darf ich ja nichts sagen. Aber wenn Sie mich fragen, war er nie wirklich weg von dem Zeugs.“
„Zeugs? Was für Zeugs denn? Medikamente?“
„ Medikamente !“ Er lachte. „So kann man’s natürlich auch nennen. - Aber ich will nichts gesagt haben. Auf jeden Fall würd ich mir an Ihrer Stelle nen anderen Arzt suchen, der hier kommt so schnell nicht wieder.“
Gleich um die Ecke gab es no ch eine Praxis. „Flugmedizin, Betriebsmedizin, Naturheilverfahren“ stand auf der Tür, ich hoffte nur, der Mann verstand auch was von einer simplen Erkältung. Drinnen gab es viele Pflanzen und noch mehr Patienten, ich brauchte geschlagene vier Stunden, ehe ich endlich mit meiner Krankmeldung und einem Rezept wieder gehen konnte. Wenigstens konnte ich es mir jetzt eine volle Woche lang auf der Couch gemütlich machen.
Abends rief Marie an. Ich fasste mich kurz, da Carolin mir gerade einen Krankenbesuch abstattete, aber sie versprach mir, am übernächsten Tag vorbeizuschauen, eine Aussicht, bei der sich mein Gesundheitszustand merklich besserte.
„ Du strahlst ja so“, meinte Carolin, als ich aufgelegt hatte, „scheint, als mache ich mir völlig umsonst Sorgen um dich.“
„Hey, gönn mir doch auch mal was“, sagte ich.
Sie hatte inzwischen zwei Schwangerschaftstests gemacht, sie waren beide negativ ausgefallen. Ich war darüber genauso erleichtert wie sie, obwohl sie sich zur Sicherheit noch einen Termin bei ihrem Frauenarzt hatte geben lassen.
Ihre Männerprobleme allerdings waren damit keine swegs gelöst, und da ich mich in meinem Zustand nicht wehren konnte, machte sie sich’s bei mir gemütlich und nahm mich als Kummerkasten und Therapeuten in Beschlag.
Vor meinem Telefonat mit Marie hatte ich ihr gerade angeboten, eine Zeitlang bei mir einzuziehen. Zu Hause herrschte offenbar schon wieder dicke Luft. Obwohl ich Armin nicht sonderlich mochte, musste ich doch einräumen, dass er nicht immer die Schuld an ihren Auseinandersetzungen trug. Dennoch war ich der Meinung, wenn ihre Gespräche ohnehin immer im Streit endeten, hätte sie auch gleich mit Christian zusammenbleiben können. Mit dem kam wenigstens ich hin.
„Ich wird’s mir jedenfalls überlegen“, meinte sie, „aber erst, wenn du nicht mehr mit Bazillen um dich wirfst.“
Caro setzte sich neben mich auf die Couch, und ich gab ihr was von der Decke ab. Sie hatte sich eine Zeitung mitgebracht und mir eine Handvoll Comics, das war endlich mal eine Lektüre, die meinen momentanen geistigen Fähigkeiten entsprach. Dachte ich zumindest, bis ich an ein japanisches Heftchen kam, in dem jeder mit jedem zu kämpfen schien und dessen Sinn sich mir gänzlich verschloss. In den kargen Dialogen wimmelte es nur so von Fachbegriffen, die nirgendwo erklärt wurden, und so hangelte ich mich eine Weile durch die dünne Handlung. Zum Glück riss mich Carolin aus meinen Gedanken, als ich die Geduld zu verlieren begann.
„Hey, guck mal, wär das nichts für dich?“
Sie hielt mir die Zeitung hin. „Reformstau in Deutschland“ war eine der Schlagzeilen.
„Da unten, in der Ecke“, sagte sie und wies mit dem Kinn darauf.
KREATIVE und DRACHEN stand da fettgedruckt, der ganze Satz lautete: „Ideenwettbewerb unseres Kinderbuchsektors: Wir suchen junge, KREATIVE Illustratoren für ein Kinderbuch zum Thema DRACHEN. Alle Einsendungen werden bewertet, nähere Informationen unter...“ Ich las die Annonce zwei Mal durch, der Verlag war mir geläufig, die Aufgabe schien lösbar.
„Hm-m“, sagte ich.
„Was heißt das? Ruf an!“, meinte
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