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Liebe oder so

Liebe oder so

Titel: Liebe oder so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Montag
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letzten Schluck ein und trank ihn in einem Zug wieder aus, „auf ungezeugte Ki nder!“
    „Wenn du’s dir irgendwann anders übe rlegen solltest, kommst du als Erstes zu mir“, schlug ich vor.
    „Wie meinst du das?“, fragte sie belustigt.
    „Ich bin pflegeleicht er als deine üblichen Kerle.“
    „ Ach, glaubst du?“
    Manchmal neige ich dazu, meine Grenzen zu übe rschreiten. Keine Ahnung, weshalb mir so was rausrutschte, ich gab dem Sekt die Schuld daran. Ich freute mich auf Carolin, die nächsten Wochen über würden wir es uns richtig gut gehen lassen. Weihnachten stand vor der Tür, da war es schön, ein weibliches Wesen um sich zu haben. Auf Marie verließ ich mich da lieber nicht.

 
    22
     
    Schon beim Eintreten konnte man den Angstschweiß riechen, ich hasste das Gebäude auf Anhieb. Der Pförtner schickte mich in den dritten Stock. Am Rande eines Patio mit Pflanzen und Sitzecken lag der Aufzug. Richtig nett sah das aus, aber oben angekommen begrüßte mich der Muff aus tausend Jahren. Es gab moderne Kunst und frisch getünchte Wände, aber immer noch lief die Abfertigung nach demselben Schema ab wie damals. Märkchen ziehen, Formular ausfüllen und warten, ich kannte das schon.
    Das Wartezimmer war total überfüllt. Wer keinen Sitzplatz hatte, wartete darauf, dass einer der Raucher es nicht mehr aushielt und sich unten vor der Eingangstür eine Zigarette gönnte. An der Wand hing eine Zählmaschine, 89 stand darauf, und jedes Mal, wenn einer aus dem Beraterzimmer kam und die Ziffern klackernd umsprangen, linste ich auf mein Märkchen und versuchte hochzurechnen, wann ich wohl drankommen würde. Einige blieben nur für Minuten, andere fast eine halbe Stunde. Wenn der Typ da drinnen pünktlich Feierabend machte, konnte ich meine Chancen für heute begraben.
    Mit dem Formular war ich schnell fertig . Während ich es von Zeit zu Zeit überflog, guckte ich mir unauffällig die anderen an. Es war wirklich ein trauriges Bild, das sich einem bot, selbst ausgesprochene Frohnaturen mussten da kapitulieren. Ein Pärchen gab es, beide noch sehr jung, sie hatte einen Kugelbauch und er ein verbundenes Auge. Leise redete die Frau auf ihn ein, aber er sah sie nicht an, sondern nickte nur ab und zu mit dem Kopf.
    Ein älterer Mann saß mir gegenüber, er wirkte gepflegt, aber auch sehr nervös, ständig zupfte er Fusseln von seinem Anzug ab. Daneben eine dicke Frau, die sich Luft zufächelte, ein paar junge, unrasierte Typen, ein dicker Türke mit seinem Sohn, ein ziemlich hübsches Mädchen, dem alle Augen folgten, sobald es einen Schritt tat, ein paar verhärmt aussehende Ex-Schreibkräfte und ein Alter, der ne mächtige Fahne mit sich herumtrug und ungewaschen roch. Keiner suchte den Blick des anderen, die meisten konzentrierten sich auf ihre Fingerspitzen und das Zählwerk an der Wand.
    Die Zeit kroch dahin. Ich hielt es nicht mehr aus und machte einen Spaziergang durchs Haus. In jedem Stoc kwerk hing die gleiche Sorte Bilder, Bauklötzchen, Kringel und Dreiecke auf farbigem Untergrund, ich hatte das zunächst für Kindergartenbilder gehalten, bis ich Signatur und Limitierungsnummer entdeckte. Irgendwie empfand ich es als blanken Hohn, uns vor Augen zu führen, wie einfach Geldverdienen sein konnte, ich hätte die Dinger am liebsten in hohem Bogen durch den Gang gepfeffert.
    Einer der Angestellten sprach mich an und schickte mich wieder in den Dritten zurück, wahrscheinlich irritierte ihn meine offensichtliche Ziellosigkeit. Ein Blick aufs Zählwerk verriet mir, dass sich während meiner Abwesenheit nichts getan hatte, also fuhr ich wieder nach unten und gesellte mich zu den Rauchern. Die kamen gerade richtig in Fahrt und erzählten sich, was sie in ihrem früheren Leben so gearbeitet hatten und wie lange die letzte Vermittlung schon her war.
    Das Gerede deprimierte mich noch mehr als das Schwe igen oben, nach einer Weile verzog ich mich wieder und saß meine Zeit bei den anderen Wartenden ab. Irgendwann kam ich mit dem dicken Türken ins Gespräch. Er hieß Aziz, war ein netter Kerl und seit vier Monaten arbeitslos. Der Junge war einer seiner Neffen, er hatte ihn von der Schule abgeholt und passte auf ihn auf, während seine Mutter ihre Einkäufe erledigte.
    Am frühen Nachmittag kam ich endlich an die Reihe . Ein junger Bursche saß hinter dem Schreibtisch, er ließ sich meine Unterlagen geben und wies mich knapp an, Platz zu nehmen. Minutenlang tippte er auf seiner Tastatur herum. „Hier berät Sie: Herr

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