Liebe oder so
gestehen, überhaupt nichts über ihn zu wissen. Falls Caro jemandem von ihm erzählte, dann Marie. Ich selbst kannte nicht mal seinen Namen. Überhaupt schienen sich ihre Geheimnisse zu vermehren, was unser Zusammenleben mehr und mehr erschwerte.
„Das hätte ich dir gleich sagen können“, meinte Chris und fuhr mit einem Stück Brot durch seinen Teller, „leg dich nie mit zwei Frauen gleichzeitig an.“
„Was heißt anlegen? Wir wohnen doch bloß zusa mmen.“
„Eben.“
Mir tat diese Entwicklung leid. Die Dinge hätten perfekt sein können, im Stillen hatte ich mich auf das Zusammenleben zu dritt gefreut. Schließlich wohnte ich mit den beiden Menschen zusammen, die mir neben Christian am nächsten standen, mein Leben in Schwung hielten und jeweils eine enorme Anziehungskraft auf mich ausübten, was sich trotz der angesprochenen Zwangspausen ungemein positiv auf meine Kreativität auswirkte.
Die Nacht in Holland war vergessen, die Grenze zw ischen Caro und mir abgesteckt, ich hatte Marie scheinbar für mich alleine… Ich war nahe dran, eine Kerze anzuzünden und meinem Schöpfer zu danken.
Aber die Erfahrung hätte mich lehren sollen, dass es nie so einfach war, wenn Frauen im Spiel waren. Gerade dann, wenn man dachte, das Schlimmste läge bereits hinter einem, erwischte einen die volle Breitseite aus einer Richtung, aus der man sie nicht erwartet hatte. Und zu meiner Überraschung kam sie diesmal weder von Marie noch von Carolin, sondern von Sonja.
„ Alex?“ Sie berührte mich leicht am Arm. Ich musste mich mit aller Kraft zwingen, sie anzuschauen. Ständig rutschte mein Blick ins Leere.
„Wie, schwanger?“
Das fand sie lustig. „Na, du weißt schon, mit kleinen Kindern und so.“
Auch Helene lachte, anscheinend nahm ich als Einziger den Ernst der Lage wahr. Eigentlich war ich nur auf einen Sprung vorbeigekommen, um nach Ludwig zu sehen, der tausend Pillen am Tag nehmen musste und auf dem Sofa schlief. Seine Backen hingen schlaff von seinem Gesicht, er wirkte alt.
„Aber ihr kennt euch doch erst ein paar Monate!“ Ich starrte Sonjas Bauch an.
„Dazu braucht man nicht so lange“, sagte sie, „das mit den neun Monaten bezieht sich auf die Schwange rschaft, weißt du? – Übrigens, Alex…“
„Ja?“
„Man kann noch nichts sehen, ich bin gerade mal in der siebten Woche.“
Helene gluckste hinter mir, sie fand das offenbar komisch. Das Wohnzimmer war wegen Ludwig völlig überheizt. Ich fühlte mich ein bisschen schwindlig, aber wahrscheinlich kam das nur von der verbrauchten Luft im Raum, die nach Schweiß und Medikamenten roch. Ich musste da raus.
Richard lief mir langsam aber stetig den Rang als Wunsch-Schwiegersohn ab, und falls es im Hause Engels noch irgendwelche Spekulationen über Sonja und mich gegeben haben sollte, so hatte ihre Schwangerschaft diese mit einem Schlag hinweg gefegt. Nicht, dass ich Ambitionen gehabt hätte, aber die Endgültigkeit unserer Trennung und der Anbruch eines neuen Lebensabschnitts für Sonja brachte mich total aus dem Takt und versetzte mich für Tage in einen Zustand teilnahmsloser Melancholie.
Die Mädchen versuchten mich auf ihre eigene Art wi eder auf den Teppich zurückzuholen. Meist zogen wir zu dritt um die Häuser, Carolin machte gerade ebenfalls ein kleines Tief durch und zerrte uns am Kragen weiter, wenn wir bereits schwächelten. Sie tanzte und trank jeden unter den Tisch, der dumm genug war, sich mit ihr anzulegen, und Marie stand ihr kaum nach. An einem Morgen erwachte ich und fand mich zwischen beiden in meinem Bett wieder, ein beinahe spiritueller Moment des vollkommenen Glücks.
Dennoch war ich mir der Tatsache bewusst, dass es in meinem Leben auf und ab ging und jede Bewegung eine immer stärkere Gegenbewegung auszulösen schien. Ich fühlte mich alles andere als sicher. Und dann war da dieser nächtliche Anruf auf Maries Handy.
„Ich muss weg“, sagte sie leise, während sie sich anzog. Ich warf einen Blick auf den Wecker, es war halb vier.
„Weg? Wieso? Und wohin?“
„Es ist was passiert. Ich erklär’s dir später.“ Sie sah besorgt aus, und sofort schrillten die Alarmglocken bei mir.
„Wartewartewarte“, sagte ich und hielt ihren Rock fest, den sie gerade von der Stuhllehne zog, „ich fahr dich.“
„Ist nicht nötig“, meinte sie.
„Kein Problem.“ Ich schlug die Bettdecke zurück und wollte aufstehen, aber sie machte eine abwehrende Handbewegung.
„Hör zu, ich muss das alleine machen.
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