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Liebe oder so

Liebe oder so

Titel: Liebe oder so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Montag
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Okay?“
    Ohne eine Antwort abzuwarten, zog sie an dem Rock, aber ich ließ nicht locker, also schlüpfte sie stattdessen in ihre Jeans. Ich verfolgte jede ihrer Bewegungen, sie schaffte es nicht, mir in die Augen zu sehen. Ich sprang aus dem Bett und begann damit, mich ebenfalls anzuziehen.
    „Was soll das?“, fragte sie.
    „Na, ich komme mit!“
    „Nein!“ Marie stieß mich aufs Bett zurück und sah mich wütend an. „Es geht nicht immer nur um dich, kapierst du das?“, schrie sie. „Und wenn du’s genau wissen willst, ja, ich gehe zu Jochen. Das wollte ich dir eigentlich nicht auf die Nase binden, aber du willst es ja anscheinend nicht anders.“
    Es kehrte eine bedrückende Stille ein, in der ich meinem Puls zuhörte, er hatte eine ungeheure Schlagzahl drauf.
    „Schön, du gehst also zu Jochen.“ Ich hatte Mühe, mich zu beherrschen. „Darf ich wissen, warum? Und dann noch mitten in der Nacht?“
    „Er hatte nen Unfall und liegt auf der Intensiven“, sagte sie und fuhr sich mit einer schlaffen Bewegung durchs Haar. „Ich muss da jetzt hin, versteh’s oder lass es.“
    Ich trat einen Schritt beiseite, um sie vorbei zu lassen, und ohne ein weiteres Wort, ohne eine einzige lieb evolle Geste verließ sie die Wohnung. Mein Kopf war voller Gedanken, mein Herz dafür umso leerer. Marie hatte sich doch von Jochen getrennt, wieso rief man ausgerechnet sie mitten in der Nacht an? Und wer war eigentlich ‚man’? Wussten ihre Freunde überhaupt, dass Marie inzwischen mit einem anderen Mann zusammen lebte?
    I m Schein der Nachttischlampe sah ich mich ratlos im Zimmer um, als könnten ihre Sachen sich plötzlich als Attrappen herausstellen, zu denen sie nicht wieder zurückkehren würde. Seit Marie bei mir wohnte, lagen überall die merkwürdigsten Klamotten rum: Bunte Schals, Mützen und Hüte, knappe Tops und scharfe Unterwäsche, Ringelstrumpfhosen und natürlich ihre Springerstiefel, die Garderobe einer Verrückten. Zumindest ihre Stiefel würde sie nicht zurücklassen. Bei mir war ich mir da weniger sicher.
    Ich schnappte mir ihr T-Shirt vom Vortag, legte es mir übers Gesicht und schaltete das Licht aus. Wir alle mussten uns mit dem zufrieden geben, was das Leben uns bot, und im Grunde war das gar nicht so wenig, wenn man’s genau bedachte. Man durfte sich nur nicht der Illusion hingeben, dass man sein Schicksal selbst bestimmen konnte.

 
    41
     
    An einem Montag im April kam der Brief. Carolin rauschte mit den Einkäufen an mir vorbei, und gleich darauf erfüllte ein Scheppern von tausend Dosen die Küche. Sie aber hatte nur Augen für das Schreiben, das sie auf dem Weg vom Briefkasten hierher gelesen hatte. Ich wollte eben fragen, was los sei, als sie mir um den Hals fiel.
    „Du hast gewonnen!“, schrie sie.
    „Was?“
    „Deine Entwürfe! Du hast den zweiten Platz gemacht! Hier, hier steht’s!“ Sie hielt mir den zerknitterten Brief vor die Nase. Ich las ihn durch, erst flüchtig, dann Wort für Wort. Caro sah mich erwartungsvoll an, aber anscheinend zeigte ich nicht die gewünschte Reaktion. Das Ganze passte gut ins Bild, immer, wenn man dachte, schon alle Enttäuschungen erlebt zu haben, kam eine neue hinzu.
    „Was ist?“, fragte sie. „Hey, freu dich mal’n bisschen, ist doch klasse!“
    „Jaja, ganz toll“, sagte ich und kehrte wieder an den Wohnzimmertisch zurück, den ich seit einiger Zeit als Schreibtisch benutzte.
    Sie schaute mich fassungslos an. „Was ist denn los? Freust du dich gar nicht? Das mit dem zweiten Platz ist doch nicht schlimm. Die schreiben, dass sie deinen Entwurf aus mehr als fünftausend ausgewählt haben.“
    „ Nicht meinen - Christians Entwurf“, wandte ich ein.
    „Wie?“
    „Sie haben nicht meinen, sondern seinen Entwurf ausgesucht“, sagte ich, „guck dir mal das Adressfeld an.“ Aus praktischen Gründen hatten wir bei beiden Umschlägen meine Anschrift angegeben, aber die Glückwünsche zum zweiten Platz waren an „Herrn Christian Jaeger“ gerichtet.
    „Na und?“
    „Das ist nicht dasselbe.“
    „ Aber es ist doch trotzdem deine Zeichnung.“
    „Nein , sie war es mal. Anfangs haben wir nur Details verändert, aber am Ende hat Chris etwas ganz anderes daraus gemacht. Etwas Besseres. Deshalb haben sie auch seinen und nicht meinen Entwurf ausgewählt.“
    „Deine Probleme möchte ich haben.“ Sie legte den Brief auf meinen Tisch und warf mir auf dem Weg zur Küche einen ihrer langen Blicke zu, verlor aber kein Wort mehr über die

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