Liebe oder so
seinen besten Mantel überm Schlafanzug, der bis zu den Knien mit Schlamm verdreckt war. Und er saß auf einem Baum, weiß der Himmel, wie und wozu er da rauf geklettert war.
Wenn die Situation nicht so e rnst gewesen wäre, hätte man ihr einen gewissen grotesken Humor nicht absprechen können. Unten stand ein Dutzend voll ausgestatteter Polizisten im Kreis um den Baum herum, oben saß Ludwig und starrte ins Leere.
Er sah schlecht aus, schwere Ringe hingen unter seinen Augen, das Haar war zerzaust und sein Blick trübe. Immerhin hatte er trotz der Kälte eine gesunde Farbe im Gesicht, aber schließlich war er ja auch seit Stunden an der frischen Luft. Weiß der Geier, wie er mit seinem Hüftgelenk und den kaputten Bandscheiben da raufgekommen war.
„ Ludwig? Ich bin’s, Alex“, rief ich zu ihm hoch, nachdem ihn der Staffelführer vergeblich aufgefordert hatte, von seinem Ast zu steigen.
Wenigstens reagierte er diesmal. Mi t ausdruckslosem Blick sah er zu mir runter.
„Du bist nicht Alex. Ich kenn dich nicht.“
„Aber sicher doch. Sonja und ich waren früher ein Paar, erinnerst du dich?“
„Ich kenn dich nicht“, wiederholte er.
„Wie? Sagten Sie nicht, Sie seien sein Schwiegersohn?“, fragte der Bulle mit den Streifen.
„ Bin ich ja quasi auch.“ Verdammt, sollte ich ihm etwa die ganze Geschichte erzählen? So viel Zeit hatten wir nicht, und so ganz blickte ich selbst nicht mehr durch, in welchem Verhältnis wir zueinander standen.
„ Komm schon, Ludwig! Deine Tochter und ich waren jahrelang zusammen, vielleicht hätten wir sogar geheiratet. Und ich tapeziere dir immer noch deine Kellerräume und repariere deinen Rasenmäher. Na?“
„Du bist nicht Alex.“
Ich wechselte einen ratlosen Blick mit dem Polizisten. Er zuckte mit den Schultern.
„Wenn er nicht freiwillig da runter kommt, müssen wir ihn holen“, sagte er leise. Ich wandte mich wieder Ludwig zu.
„Hör zu, du hast mich mal zum Fischen mitgenommen, erinnerst du dich? Und ich hab mich in einen deiner Angelhaken gesetzt.“
Er zog seine Stirn in Falten, und ich ließ kurzerhand die Hosen runter. War mir doch egal, was die Bullen dachten, ich wollte ihn nur von seinem Baum runter kriegen, bevor er sich ne Lungenentzündung holte.
Ich streckte ihm meinen blanken Hintern hin und zeigte ihm die Narbe. Ringsum lachten die Uniformen. Auch Ludwig kicherte über mich, so sehr, dass er das Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel. Sofort stürzten sich die Typen mitsamt ihren Hunden auf ihn. Ich hörte ihn schreien und kämpfte mich zu ihm durch, was mit runtergelassenen Hosen gar nicht einfach war.
„Hey, lasst ihn in Ruhe!“ Ich scheuchte sie auseinander und versuchte gleichzeitig, meinen Schwanz vor den Hunden in Sicherheit zu bringen. Zusammen mit dem gestreiften Polizisten half ich Ludwig auf die Beine, er wimmerte erbärmlich. Wir mussten ihn beim Gehen stützen, er hatte sich bei dem Aufprall offenbar den Fuß verletzt.
Wir begleiteten Helene aufs Revier. Sie musste eine Million Papiere unterschreiben, während sich der Polizeiarzt und ein Psycholog e um Ludwig kümmerten. Sie wiesen ihn ein, angeblich um ein paar Untersuchungen durchzuführen.
„Sein Zustand kann sich bis morgen schon wieder gebe ssert haben“, sagte der Psychologe, „ich möchte ihn nur gern im Krankenhaus behalten, um sicher zu gehen. Wir haben ihm etwas gegeben, damit er schläft.“
„Was ist mit seinem Fuß?“, fragte ich.
„Nur eine Verstauchung“, meinte der Arzt. „Wenn er ihn schont, ist er in zwei Wochen wie neu.“
Den Mercedes hielten sie bis au f Weiteres unter Verschluss, wir mussten uns schon wieder zu viert in den Sunbeam quetschen.
„Was geschieht jetzt mit ihm?“, fragte Marie, nachdem wir Helene nach Hause gefahren hatten.
„Keine Ahnung. Ich nehme an, dass sie Ernst machen und ihm ne Anzeige an den Hals hängen“, sagte ich, „den Lappen ist er jedenfalls los.“
„Das ist ja wohl das geringste Problem.“
„Warum war eigentlich Sonja nicht da?“, wollte Carolin wissen.
„Sie ist übers Wochenende bei Doris in Hannover und hilft ein bisschen im Haushalt.“
„Im wievielten Monat ist die denn jetzt?“
„Keine Ahnung“, sagte ich, „n oder so.“
„Wer?“, fragte Marie.
Carolin boxte mich in die Seite. „Elfter.“
„Ich kann mich jedenfalls noch gut daran erinnern, dass sie mir schon in den ersten Wochen am Telefon die Ohren vollgejammert hat, wie schlecht es ihr geht. Und damals waren Sonja und ich
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