Liebe oder so
Angelegenheit.
Es war schon spät, als Marie die Tür aufschloss.
„Hi“, sagte sie fröhlich und kam zu mir herüber, um sich die neuesten Symbolentwürfe für Helge anzusehen. „Ist das ein Wäschetrockner?“ Sie tippte auf eine der Zeichnungen.
„Eine Musicbox, danke. Wo warst du?“
„Eigentlich so ziemlich überall. Hatte was zu erledigen.“
„Hatte es zufällig mit Jochen zu tun?“
Sie verdrehte die Augen und blieb mir die Antwort schuldig. In der Küche hörte ich sie mit Carolin tuscheln, aber ich konnte beim besten Willen nicht verstehen, worüber sie sprachen. Ich kümmerte mich wieder um die Entwürfe und musste feststellen, dass Marie Recht hatte, meine Musicbox sah tatsächlich nach Wäschetrockner aus. Ich zerknüllte das Etwas und zeichnete stattdessen einen Notenschlüssel, den bekam ich gerade noch hin.
Als Helge seinen Kunden einige Tage später die neue Website vorstellte, waren sie mit meinen Entwürfen überaus zufrieden. Das hätte mich freuen sollen, aber irgendwas nagte hartnäckig an mir. Ich hatte das ungute Gefühl, mich ebenso für Geld zu verkaufen wie Chris. Derselbe Chris, den ich dafür verurteilte und der mir ganz nebenbei bei meinem Wettbewerb den Rang abgelaufen hatte.
„Ach komm“, meinte Helge, „ist doch nur Gebrauchskunst!“
Er hatte gut reden, schließlich hatte er es mit seinem kaufmännischem Talent und ganz ohne künstlerische Fähigkeiten in seiner Agentur bis zum Art Director gebracht. Marketing war heutzutage alles, für die Kreativität waren dort Computer zuständig. Es grenzte an ein Wunder, dass er mir überhaupt diesen Job zugeschanzt hatte, wahrscheinlich hatte er einfach ein großes Herz.
Die Arbeit war gut bezahlt, wenn ich dadurch auch nicht reich wurde. Immerhin besser als Fahrradwege anzulegen oder den Park von Kippen zu säubern, so musste man das auch mal sehen. Diese Art von Jobs war nicht mehr fern, ich kannte schließlich meinen Arbeitsberater. Nein, die Entwürfe boten mir Gelegenheit, mir meine Zeit frei einzuteilen und nicht ganz aus der Übung zu kommen, das war mehr, als ich erwarten durfte.
Es gab da etwas, das mir keine Ruhe mehr ließ. Die Sache mit den Drachen hatte mich darauf gebracht, seit Wochen sammelten sich in meinem Hinterkopf Ideen an, die ich in mein Notizbuch notierte. Noch war das Ganze nicht ausgereift, aber ich war froh, eine Alternative zu den stupiden Industrieentwürfen gefunden zu haben.
„Ein Kinderbuch? Du?“, fragte Christian, als ich ihm am Telefon davon erzählte. Ich hatte ihn bei seinen Eltern zu erreichen versucht, aber seine Mutter meinte, er sei „irgendwo im Osten“ unterwegs. Ich bekam ihn erst am nächsten Abend ans Handy, er war in Leipzig.
„Warum nicht? Traust du mir das nicht zu?“
„Doch, schon. Aber du bist nicht unbedingt der Ki ndertyp.“
„Wie meinst du das?“, wollte ich wissen.
„Also, nimm’s mir nicht übel, aber du hast dich bisher doch kein Stück für Kinder interessiert.“
„Na und?“
„Solltest du nicht irgendeinen Draht zu Kindern haben, wenn du ein Buch für sie schreibst?“
„Was willst du mir eigentlich damit sagen? Dass ich erst Marie schwängern muss, ehe ich damit anfangen kann, für Kinder zu schreiben?“
„Schon gut, wir reden aneinander vorbei“, meinte er. „ Hast du denn schon angefangen damit?“
„Nein, ich hab noch Helges Websites abzuarbeiten. Aber bis du wieder im Lande bist, sollten die ersten Entwürfe fertig sein.“
Tatsächlich arbeitete ich wie ein Verrückter an dieser Kinderbuchsache. Ich besorgte mir alle möglichen Bücher, Comics und Cartoons aus der Leihbücherei. Kopierte, variierte, erfand neue Gestalten, Elfen, Trolle, Zauberwesen und eine Rahmenhandlung. Ich bastelte irre Landschaften und Gnome und fertigte nebenbei noch die Zeichnungen für Helge an, kurzum: Ich war ungemein produktiv und energiegeladen. Aus dieser Sache musste ich einfach was machen.
I m Übrigen weigerte sich Christian, die Lorbeeren für seinen Entwurf zu ernten. Der Verlag hatte den drei besten Teilnehmern eine Art Aushilfsjob als Illustrator in Aussicht gestellt, aber er zeigte keinerlei Interesse daran.
„Ach Scheiße, warum denn nicht?“, rief ich in den H örer. Die Verbindung war schlecht, er fuhr gerade auf irgendeine Fähre bei Rügen. „Das ist doch genau der richtige Job für dich.“
„Ich hab schon einen Job. Außerdem war das alles deine Idee, und DU willst doch zeichnen, nicht ich. Also ganz klar dein Job.“
Marie
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