Liebe ohne Schuld
machte Cerlew seine Sache gut, dachte Burke. Insgesamt machte der Besitz einen wesentlich besseren Eindruck als vor seiner Abreise. Alles war gut in Schuß, sauber und gepflegt. Sogar Joshua war das aufgefallen.
Burke räusperte sich, doch Lannie kam ihm zuvor. »Corinne wird bestimmt auch bald herkommen und sich einmischen. Hast du ihr geschrieben?«
»Das war nicht nötig, denn ich habe auf der Rückreise aus Frankreich bei ihnen in London Station gemacht. Ihr Sohn Jocelyn studiert inzwischen in Oxford.«
Während sich Lannie ausführlich über die Eigenarten des Knaben ausließ, erinnerte sich Burke an die verrückte Atmosphäre, die in London geherrscht hatte. Seit Zar Alexander am sechsten Juni nach England gekommen war, war über Nacht alles Russische in Mode gekommen. Burke hatte an zahlreichen Bällen teilgenommen, die Damen hofiert, mit den Herren die Schlacht von Toulouse besprochen und dabei immer nur an Arielle gedacht. Einige Male hatte er während dieser Woche erwogen, sich eine Geliebte zu nehmen, doch in Wirklichkeit wollte er keine andere Frau. Er begehrte einzig und allein Arielle.
»Burke! Ich glaube, du hast mir überhaupt nicht zugehört! Hier kommt Montague mit dem Tee.«
Mit seinem dichten, weißen Haar, sah Montague eigentlich eher wie ein alter Bischof aus, dachte Burke. »Vielen Dank, Montague«, sagte er und lächelte dem alten Diener zu.
»Ich möchte noch bemerken, Mylord, daß es Zeit für eine Ruhepause ist. Joshua wartet bestimmt schon oben in Ihrem Zimmer auf Sie.«
»Obwohl ich nun schon eine ganze Zeit lang Zivilist bin, gibt man mir immer noch Befehle!«
»Lord Ravensworth hat völlig recht«, meinte Lannie zu Montague. »Sie sollten ihn wirklich nicht …«
»Ich habe doch nur gescherzt, Lannie! Ja, Montague, Sie haben völlig recht. Ich fühle mich tatsächlich ein wenig müde. Ich danke Ihnen.«
Doch er wollte Lannie nicht verlassen, bevor er etwas über Arielle in Erfahrung gebracht hatte. Nachdem sie ihm Tee eingeschenkt hatte, lehnte er sich in seinen Sessel zurück und versuchte, möglichst unbeteiligt auszusehen. Vorsichtig nippte er an seiner Tasse. »Erzähle mir ein wenig von unseren Nachbarn!«
Lannie gehorchte bis zur Erschöpfung, und als sie schließlich eine Pause einlegte, fragte Burke ganz direkt. »Und wie geht es den Leslies? Du hast mir geschrieben, daß Arthur Leslie gestorben ist.«
»Du lieber Himmel, das war ja doch schon vor einigen Jahren!«
»Nun, so lange ist das nun auch wieder nicht her! Wie ist es der Familie seither ergangen?«
»Du meinst Arielle?«
»Ja«, sagte Burke hastig, während er sich unbewußt nach vorn beugte und Lannie unverwandt anblickte.
»Ich habe dir doch alles geschrieben!« erwiderte sie. »Ich kann mich genau daran erinnern!«
»Was hast du mir geschrieben? Und wann?«
»Ach, du lieber Himmel. Vor Jahren schon habe ich dir geschrieben, daß Arielle geheiratet hat.«
Die Tasse fiel zu Boden, und Burke sah zu, wie sie von dem Aubussonteppich auf den harten Holzboden rollte und zerbrach. Die braune Flüssigkeit bildete kleine Pfützen, doch Burke saß wie erstarrt.
»Burke! Was ist los? Schmerzt dich deine Wunde?«
»Nein, nein, es geht mir gut. Ich bin nur ein wenig müde.«
In Wirklichkeit erstickte er beinahe. In seinem Innern wühlte ein heftiger Schmerz, den er kaum ertragen konnte. Mühsam befeuchtete er seine Lippen. »Wann? Und wen?«
»Nun, inzwischen ist sie bereits seit einigen Monaten Witwe. Wenn ich mich nicht irre, ist es schon fast ein Jahr her, doch man bekommt sie nie zu Gesicht. Mit sechzehn hat sie Paisley Cochrane geheiratet.«
Wortlos starrte Burke seine Schwägerin an. Paisley Cochrane! Dieser alte Satyr war doch schon für seine Verschlagenheit berühmt gewesen, als Burke noch ein kleiner Junge gewesen war! Dieser Mann sollte Arielle geheiratet haben? Ungläubig schüttelte er den Kopf. »Und ihr Vater hat zugestimmt?«
»Aber nein! Ihr Halbbruder, Evan Goddis, wurde nach Sir Arthurs Tod ihr Vormund. Wenn du mich fragst, hat er alles eingefädelt! Nicht einmal sechs Monate nach Sir Arthurs Tod! Später ist Paisley dann unter etwas merkwürdigen Umständen gestorben – natürlich hat es ziemliches Gerede gegeben.«
Doch Burke hörte ihr schon längst nicht mehr zu. »Wohnt sie jetzt in Rendel Hall?« Cochranes Besitz lag ungefähr zehn Meilen östlich von Ravensworth.
»Aber natürlich. Sie hat ja alles geerbt. Ganz im Gegensatz zu mir, die …«
»Laß es gut sein, Lannie«,
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