Liebe ohne Schuld
ermahnte Burke sie freundlich, während er sich erhob.
»Wohin gehst du?«
»Nach oben. Ich möchte mich ein wenig ausruhen. Wir sehen uns dann beim Abendessen.«
Nachdem Joshua ihn versorgt hatte, lag er bewegungslos im Bett und starrte zu den nackten Stuckengeln hinauf, die die Zimmerdecke schmückten. Mit sechzehn Jahren hatte sie Viscount Rendel geheiratet! Der Mann war doch mindestens fünfzig Jahre alt! Und er hatte sie berührt, sie gestreichelt und – Burke gab sich einen Ruck. Er wollte nicht daran denken, denn er konnte die Vergangenheit nicht ändern. Er mußte die Tatsachen akzeptieren oder sich alles aus dem Kopf schlagen. So einfach war das!
Die ganzen Jahre über hatte er nichts davon geahnt ein einziger verlorener Brief! Ironie des Schicksals! Doch da sie inzwischen Witwe geworden war, war das eigentlich unwichtig. Er wollte sie endlich wiedersehen, ihr den Hof machen, sie heiraten und die Vergangenheit vergessen.
Er hatte nicht daran gedacht, Lannie zu fragen, ob Arielle Kinder hatte. Falls es so war, wollte er sie wie seine eigenen aufziehen. Beim Abendessen erkundigte er sich danach.
»Nein«, antwortete Lannie. »Der alte Paisley hat sie ja nur geheiratet, weil er sich einen Erben erhofft hat, doch das ist ihm nicht geglückt. Weshalb fragst du danach, Burke?«
»Ich habe sie als reizendes, junges Mädchen in Erinnerung«, sagte er, während seine Augen über das Tafelsilber glitten. »Hast du sie seit der Hochzeit einmal gesehen?«
»Nein, nie. Nach ihrer Hochzeit war sie praktisch wie vom Erdboden verschwunden. Sehr seltsam. Niemand hat sie zu Gesicht bekommen. Den Gerüchten habe ich allerdings keine Beachtung geschenkt, denn schließlich leben wir in einer modernen Zeit und nicht im Mittelalter!«
»Welchem Gerede?«
Lannie zuckte die Achseln. »Ach, kaum zu glauben! Man hat behauptet, daß Viscount Rendel seine Frau praktisch wie eine Gefangene behandelte und ihr den Umgang mit anderen Menschen regelrecht verbot …«
»Aber du hast doch gerade selbst gesagt, daß man sie seit ihrer Hochzeit nicht mehr gesehen hat!«
»Ja, aber der Viscount hat sie doch bestimmt nicht wie eine Gefangene eingesperrt! Das ist einfach zu verrückt! Hast du eigentlich jemals etwas von ihrem Halbbruder gehört? Er genießt ja wirklich nicht den besten Ruf, und man erzählt sich, daß er Arielle für eine größere Summe gezwungen haben soll, den armen Paisley zu heiraten. Ich habe keine Ahnung, ob etwas Wahres daran ist.«
»Weshalb nennst du Paisley arm?«
»Nun, er hatte keinen Erben. Kurz vor seinem ungewöhnlichen Tod ist sein unehelicher Sohn aus Frankreich zu Besuch gekommen.«
»Wie ist Paisley denn gestorben?«
»Er hat sich beim Essen an einer Gräte verschluckt und ist erstickt. Sehr ungewöhnlich, nicht wahr? Die Diener haben behauptet, daß sein unehelicher Sohn und Arielle regungslos dagesessen und zugesehen haben, bis er tot war.«
»Das hört sich sehr unglaubhaft an.«
»Meine Meinung!«
»Hast du Arielle seit – seit Rendels Tod gesehen?«
»Ja, als ich eine Freundin in East Grinstead besucht habe. Wir sind in einem zauberhaften, kleinen Hutgeschäft gewesen, wo es wunderschöne Bänder …«
»Wann war das? Und welchen Eindruck machte sie?«
Lannie löffelte den letzten Rest ihrer Suppe und überlegte kurz, ob ihre Figur wohl eine weitere Portion vertragen könnte, doch seufzend entschied sie sich dagegen.
»Lannie!«
»Wie bitte? Oh ja, natürlich! Wir sprachen von Arielle. Wie ich schon gesagt habe, habe ich sie in East Grinstead getroffen. Sie sah gut aus. Na ja, vielleicht doch nicht ganz so gut. Sie war viel zu dünn, aber das war sie eigentlich schon immer. Mir ist nur aufgefallen, daß sie keine Trauerkleidung trug.« Sie machte eine kleine Pause und wiegte dabei nachdenklich ihren Kopf. »Weshalb interessierst du dich eigentlich so sehr für Lady Rendel, Burke?«
Bevor Burke sich noch eine passende Antwort einfallen lassen konnte, fuhr sie bereits fort: »Es kommt mir direkt komisch vor, sie Lady Rendel zu nennen! Schließlich ist sie gerade erst achtzehn Jahre alt! Falls du sie siehst, dann grüße sie herzlich von mir. Ich habe früher ihre Gesellschaft immer sehr gern gehabt.«
Rendel Hall
Langsam ließ Arielle ihren Stickrahmen sinken. »Wo haben Sie das erfahren?«
»Im Dorf. Mrs. Cranage hat ihn gesehen und mir gesagt, daß er nicht allein war.«
»Evan«, sagte Arielle tonlos, wobei ein gequälter Ausdruck in ihren Augen stand.
»Ja, Etienne DuPons
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