Liebe ohne Skrupel
Gareth sie aus ihrer eigenen Burg geworfen hatte.
Es war offensichtlich, daß Gareth es gewohnt war, Befehle zu erteilen.
Ebenso wie sie.
Und das könnte zu einem Problem werden.
»Mir scheint«, sagte sie zu ihrer Freundin, »daß du und Sir Ulrich euch recht eingehend über Gareth unterhalten habt.«
Überraschenderweise errötete Joanna leicht. »Sir Ulrich ist ein äußerst höflicher Ritter. William mag ihn sehr.«
»Das habe ich bereits bemerkt.«
Joanna runzelte die Stirn. »Heute morgen hat William immer noch von seinem Ritt auf Ulrichs Streitroß gesprochen. Ich hoffe nur, daß mein Sohn kein allzu großes Interesse an Schlachtrössern und Waffen und so weiter entwickelt.«
Cläre blickte auf das sonnenbeschienene Meer. Williams zunehmende Begeisterung für das Rittertum machte Joanna angst. »Ich verstehe deine Sorge. Aber es wird schwierig werden, einen Jungen wie William von Gareths Männern fernzuhalten.«
»Vielleicht würde es helfen, wenn ich dafür sorge, daß er mehr Zeit mit seinen Studien verbringt.«
»Ja. Vielleicht.« Aber insgeheim bezweifelte Clare, daß irgend etwas das Interesse des Jungen an der rauhen Welt der Waffenträger mindern könnte. Verstärkte Studien waren wohl kaum das geeignete Mittel.
Sie verstand Joannas Besorgnis besser als die meisten, da sie ihren eigenen Bruder auf einem Turnier verloren hatte. Aber Clare wußte außerdem, daß Joannas übermäßige Fürsorglichkeit wahrscheinlich nicht die beste Methode war, einen kleinen Jungen zu erziehen.
Cläre atmete tief ein. Wie immer genoß sie die frische, würzige Morgenluft. Sie liebte den purpur- bis rosafarbenen Lavendel, der die Klippen bedeckte.
Über die schmale Meerenge hinweg, die Desire vom Festland trennte, konnte man den dunklen Turm von Seabern sehen, der sich hinter dem kleinen Dorf an der Küste erhob. Der Anblick ließ sie angewidert erschauern.
»Ich gebe zu, daß ich einige ernste Zweifel an Sir Gareths Eignung zum Ehemann hege«, sagte sie. »Aber ich nehme an, es hätte noch schlimmer kommen können. Ich hätte gezwungen sein können, mich mit Sir Nicholas abzufinden.«
Joanna warf ihr einen eigenartigen Blick zu. »Mit dem wärst du zumindest auf jeden Fall fertiggeworden, Clare.«
»Mit Sir Gareth werde ich auch fertig«, sagte Clare optimistisch.
»Da wäre ich mir an deiner Stelle nicht so sicher.« Joanna sah sie genauer an. »Hast du wirklich vor, ihn erst dann in dein Bett zu lassen, wenn er sich als geeigneter Ehemann erwiesen hat?«
»Ich habe dir doch schon gesagt, daß ich ein bißchen Zeit brauche, um ihn besser kennenzulernen. Ich möchte, daß mein Mann und ich uns in einer bestimmten Art und Weise verstehen, ehe ich das Bett mit ihm teile. Das ist wohl nicht zuviel verlangt.«
»Sir Ulrich sagt, das klappt nie. Er sagt, du hättest den Höllenhund von Wyckmere niemals derart herausfordern dürfen. Und da stimme ich ihm zu.«
Cläre kniff die Lippen zusammen. »Sir Gareth hätte meine Ehre nicht anzweifeln sollen.«
»Also bitte, es ist doch wohl logisch, daß er annimmt, du seist keine Jungfrau mehr. Thurston of Landry hat ihm offensichtlich von den Gerüchten über die Entführung und von deinem viertägigen Aufenthalt auf Seabern erzählt.«
»Es ist mir egal, was Thurston Gareth erzählt hat. Dieser Höllenhund hätte mich fragen sollen, anstatt irgendwelche Vermutungen anzustellen. Und es steht ihm auch nicht zu, dem armen Nicholas Rache zu schwören.«
Joanna lächelte traurig. »Dann ist er also inzwischen der arme Nicholas? So hast du ihn aber nicht genannt, nachdem du letzten Monat endlich von Seabern flüchten konntest.«
»Er ist ein furchtbar lästiger Kerl, und ich bin dankbar, daß ich ihn nicht heiraten muß. Aber trotzdem hat er mir heute morgen ein wenig leid getan.«
»Ich an deiner Stelle würde mein Mitleid nicht an Nicholas verschwenden«, sagte Joanna. »Heb dir diese Gefühle lieber für dich selbst auf. Du bist diejenige, die den Höllenhund von Wyckmere herausgefordert hat.«
»Glaubst du wirklich, daß ich heute morgen einen Fehler gemacht habe, als ich Gareth sagte, daß er in meinem Bett nicht willkommen ist?«
»Ja. Das war ein großer Fehler. Und ich kann nur beten, daß du dafür nicht allzu teuer bezahlen mußt.«
Cläre grübelte darüber nach, während sie und Joanna den Klippenweg verließen und ins Dorf gingen.
Als Clare und Joanna bei der Steinzelle der Einsiedlerin ankamen, lag diese verlassen da. Clare klopfte gegen die Steine,
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