Liebe, Sex und andere Katastrophen
zu lassen. Um mir diesen Ausflug leisten zu können, hob ich mit meiner Kreditkarte am Automaten Geld ab, das ich nicht hatte. Ich war schon hoffnungslos pleite, und musste mir damals 20 Euro für eine Woche einteilen, so schlimm war es finanziell um mich geschehen, aber das war mir in dem Moment wurscht, ich wollte jetzt auch einfach mal was erleben. Und das macht ohne Kohle in der Tasche einfach keinen Spaß. Als ich Nummer zwölf nun am vereinbarten Ort traf, schoss mir ein `Scheiße!` durch den Kopf. Plötzlich gefiel er mir überhaupt nicht mehr. Er wirkte auf einmal total dämlich, wie ein Tollpatsch, sein Quadratschädel wirkte riesig, seine dunklen Glupschaugen glotzten mich beängstigend starr und treudoof zugleich an, und als wäre das nicht genug hatte er ein ganz schreckliches süßliches Parfum aufgelegt, von dem mir fast schlecht wurde. Alles in mir schrie „Alarm, hau bloß ab, das wird eine Katastrophe!“, aber ich war so fixiert darauf, aus meinem tristen, langweiligen und frustigen Franzosen-Alltag auszubrechen, nur um meinem Freund eine spannende Geschichte auftischen zu können, dass ich mir nicht erlaubte, die Reißleine zu ziehen. So hatte ich diesen Schlacks an der Backe. Mein Hang zu überflüssigen Männergeschichten setzte sich bravourös fort.
Auf der Fähre, die uns auf unsere Insel schippern sollte, wurde Nummer zwölf bereits äußerst zutraulich. Wir saßen nebeneinander, und als würden wir uns schon zig Jahre kennen, senkte er wie selbstverständlich seinen Kopf und ließ sich wie ein kleines Kind in meinen Schoß sinken. Dabei guckten mich seine treudoofen braunen Glupschaugen aus seinem Quadratschädel herausfordernd an, wie ein kleiner Hundewelpe, der ganz genau weiß, dass er gerade Mist baut und bei Herrchen checken will, wie weit er gehen kann. Statt ihm zu verstehen zu geben, dass ich absolutely not amused war, sagte ich nichts. Ich war völlig überfordert mit der Situation, lächelte wie ein dämliches Grinsehuhn und ließ es geschehen. Frauen lächeln übrigens immer, wenn ihnen eigentlich unwohl ist. Dann fing er an, vom allerfeinsten rumzuschmalzen, „You are so beautiful, blablabla.“ Nun sehnte ich mich zwar nach Bestätigung, aber plötzlich kam mir diese Situation so absurd und ich mir so dämlich vor, dass ich am liebsten von der Reling in den Atlantik gesprungen wäre. Ich hielt kurzen Prozess mit mir ab. Ich hatte zwei Möglichkeiten: Entweder ich bekomme jetzt Panik, was keine gute Idee ist, wenn man sich mit fremdem Typen auf einem Bötchen mit Kurs auf abgelegene Insel im Atlantik befindet und die Rückfahrt-Fähre erst am späten Abend wieder ans Festland schippert. Oder aber ich reiße mich zusammen, versuche das Beste daraus zu machen und betrachte das Ganze als Spiel der Kategorie „Abenteuer“. So wie es eigentlich auch geplant war. Ich entschied mich für Variante zwei. Und um meinen Entschluss zu besiegeln, trat ich die Flucht nach vorn an und küsste Nummer zwölf einfach. Der war ganz perplex, aber sichtlich erfreut und machte sofort mit. Meine Absicht mit diesem Überfallskuss war, diese merkwürdige Spannung zwischen uns zu entladen. Der Kuss war sogar ganz okay, nur störte mich dabei sein penetrantes Parfum und seine kratzenden Bartstoppeln. Was soll´s, Lippen auf und durch.
Auf der Insel angekommen, suchten wir uns den nächsten Strand. Am Strand setzten wir das fort, was wir auf der Fähre begonnen hatten. Wir knutschten wild rum und leiteten auch den Fummel-Modus ein. Ich war fasziniert, was mit mir passierte, denn ich war gefangen in einem Zustand, der sich nur schwer beschreiben lässt. Eigentlich fand ich Nummer zwölf überhaupt nicht mehr toll, und je mehr ich mir das vor Augen führte, umso widerlicher fand ich ihn. Trotzdem machte ich mit ihm rum, und das wiederum war auf eine absurde Art und Weise geil. Ich befand mich zwischen Lust und Widerwille. Einerseits fand ich es ätzend, wie er jede Grenze zwischen uns durchbrach und einfach wie selbstverständlich meinen Körper erkundete. Andererseits fand ich genau das extrem geil. Er nahm mich einfach. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Ausweglosigkeit dieser Situation machte die Sache noch delikater, schließlich war ich gefangen auf einer Insel und konnte nicht einfach abhauen. Ich war ihm ausgeliefert. Klar, ich hätte abhauen können, hätte ich eben ein paar Stunden am Hafen auf die Fähre gewartet und ihn ignoriert oder sonst irgendeine Szene veranstaltet, aber das erschien mir
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