Liebe stand nicht auf dem Plan

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Autoren: Elisabeth Rapp

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unterbricht er sie. »Was ist denn plötzlich falsch am Neuanfang, am Leben in der Großstadt, City, Metropole, das ich unbedingt kennenlernen muss? Ist die urbane Lebensform, die verhindern soll, dass ich ein bayerisches Landei bleibe, plötzlich nicht mehr gut für mich?«
    Um seinen Fragen die nötige Schärfe zu geben, spricht er fast akzentfrei Hochdeutsch. Ein alter Streitpunkt zwischen ihm und seinen Eltern. Er ist zweisprachig aufgewachsen. Seine Eltern sprechen mit ihm Hochdeutsch, er antwortet auf Bayerisch. Er kann Hochdeutsch, wenn er will, hält aber Bayerisch für eine nuancenreichere und präzisere Sprache. Ein Teil ihrer Pro-Umzugs-Argumente war der hanseatische Sprachschliff, dem er unterzogen werden soll, damit er auch außerhalb Bayerns mühelos verstanden wird.
    »Doch. Aber damit war nicht gemeint, dass du nach der Schule im Rotlichtmilieu versackst, Sohn.«
    »Ich hab bloß einen Musikclub entdeckt und mich umgeschaut …«
    »Hast du überhaupt ans Essen gedacht?«, unterbricht ihn seine Mom.
    Er nickt. »Mit Leuten aus der Schule.«
    »Waren die auch mit in dem Club? Und hat der einen Namen, dieser Club?«
    Er nickt wieder und denkt, das ist ein Verhör. »Sound Club.«
    »So, Sound Club, hm.«
    Dali entgleitet seine Gesprächsstrategie. Mit dreizehn war er geschickter im Umgang mit den Kontrollgelüsten seiner Eltern. Wieso fangen die damit wieder an? »Wie war denn euer Tag?«
Schnell unverfängliche Gegenfragen stellen, schließlich ist das der große Tag des Neuanfangs für alle hier.
    Es funktioniert. Sein Dad füllt ein Glas, und Mom erzählt vom ersten Tag in ihrer Praxis. Dali fragt interessiert nach. »Du hast den Typen dazu gekriegt, die Telefonanlage einen Tag früher zu installieren, und alles funktioniert? Wow, das ist groß.«
    Dads erste Begegnung mit seinen neuen Lehrerkollegen gibt ein paar Lacher her, und Dali wird unvorsichtig. »Nora, aus der Schule …«
    »Deine Klasse«, fragt er.
    »Eine drunter.«
    »Schöner Name«, sagt Petra, seine Mom, genießt den spektakulären Blick aus dem Fenster über den Hafen, und ihr Rücken fragt beiläufig: »Wie alt ist sie?«
    »Fünfzehn, ganz klein, eine Po …« Dali stockt und könnte sich selbst eine in die Fresse hauen, so sehr ärgert er sich über die eigene Blödheit.
    Seine Mom dreht sich in Zeitlupe um und starrt ihn fassungslos an.
    »Und dann noch Keath, Mehmet, Maika …« Dali faselt sich um Kopf und Kragen, worüber er und seine neuen Freunde, letztere in seinem Alter und älter, sich im Club unterhalten hätten, dass er darüber komplett die Zeit vergessen hat.
    »Fünfzehn, und ihre Eltern lassen sie unter der Woche bis um elf auf die Reeperbahn …«
    »Was regst du dich auf? Du kennst sie doch nicht. Was haust du denn da jetzt deine Klauen rein? Ich hab keinen blassen Schimmer, wann sie gegangen ist und was sie für Abmachungen mit ihren Eltern hat. Sie ist definitiv nicht verwahrlost, eher eine Überfliegerin, was ihr doch sonst so gerne mögt. Und übrigens sind auf St. Pauli jetzt noch Hunderte von Leuten unterwegs,
die das urbane Leben in der City, die niemals schläft, genießen. Im Gegensatz zu Harkirchen, wo man sein ganzes Leben verpennen kann …« Das war ein Umzugsargument. »Da wird die Nacht zum Tage gemacht, da ist immer was los. Zig Leute tummeln sich auf der Straße, sicherer geht’s nicht. Und ich hab keinen Bock mehr, euch Geschichten aus meinem Leben oder von Leuten zu erzählen, die ihr nicht kennt, denn das hindert euch ja offensichtlich nicht, bereits ein klares Bild von ihnen zu haben.« Er zieht die Tür hinter sich zu. Entschlossen, aber ohne zu knallen. Und natürlich lauscht er nicht an der Tür.
    »Ich will, dass du dir den Club ansiehst, Stephan.« Daniels Mutter hat Angst, dass ihr Sohn unter die Räder kommt. »Versprich mir das.«

10
Elvis und Priscilla
    Nora versenkt die Elvispuppe im Karton, deckt sie mit Bläschenfolie zu, faltet ohne hinzusehen den Lieferschein und legt ihn oben drauf. Siebzehn weitere Presleys stehen Schlange, wackeln nervös mit den Hüften. Auch sie wollen flachgelegt werden, ebenso die Modellfiguren Jailhouse Rock, Las Vegas, Comeback, Year in Gold und Blue Hawaii. Einer nach dem anderen verschwindet im Versandpaket, Lieferschein rein, fertig. Nora beherrscht das blind und brennt nebenher CDs. Dabei hat sie die Augen auf das aufgeschlagene Physikbuch auf dem Notenständer gerichtet und spricht die Hausaufgaben, über beschleunigte Bewegungen, Trägheit und