Liebe stand nicht auf dem Plan
winkt Lars zu und geht nach draußen. Dort dreht er sich um und starrt die Tür an. Mittlerweile ist es dunkel, er nimmt die Neonbuchstaben wahr und liest SO UND …, bevor er schnallt, was es heißt, SOUND. CLUB leuchtet nicht. Dali steckt seinen Clubschlüssel ins Schloss und lässt es auf- und zuschnappen. Passt, holladriö!
Zur Hölle, was ist … Er dreht sich aus dem Stand mit quietschenden Sohlen um und haut reflexartig dem Typen hinter sich seinen Ellbogen in den Solarplexus. Der krümmt sich und würgt.
Dali ist zu Tode erschrocken. »Sog amoi, spinnst du! Wos schleichst’n di von hinten o und blosd mia ins Gnick! Du spuist mit deim Lebm, Depp. Hob i di wos o do?«
Sandro würgt immer noch und ist außerstande, sich zu unterhalten.
Dali kann in der Glatze und in der schweren Goldkette des Typen
die Spiegelung seines erschrockenen Gesichts sehen. Weil er nicht weiß, was er jetzt machen soll, zieht er den Clubschlüssel ab und seinen Schlüsselbund am Band aus der Hosentasche.
Sandro stolpert einen Schritt zurück, taumelt und lehnt sich an die Wand.
»Sorry, i hob mi erschrocken, des war a Reflex. I wui mi ned schlägern …«, beteuert Dali. Dann hört er auf, sich zu erklären.
Von innen treten Leute gegen die Stahltür und hämmern mit den Fäusten dagegen. Er hat blöderweise die Tür abgesperrt. Beim Aufschließen muss er sich dagegenstemmen, denn die Eingeschlossenen haben’s eilig und drücken von innen.
Als er dann loslässt, schwingt die Tür weit auf. Sandro brüllt. Sie hat ihn an der Schulter erwischt.
Dali überlässt es den anderen, sich um den vor Schmerzen tobenden Typen zu kümmern. Er spürt, dass es nicht gut wäre, noch weitere Entschuldigungen vorzubringen, und macht sich auf seinem Fahrrad davon.
Auf dem Weg in sein neues Zuhause fühlt er mit seinem Daumen die scharfen Kanten des Clubschlüssels, im Gegensatz zu den Vertiefungen auf der flachen Seite seines privaten Sicherheitshausschlüssels. Aber der Unterschied ist nichts im Vergleich zu dem verwandelten Gefühl, das er auf dem Rückweg hat. Sein Unglück, die Wut vom Morgen sind verflogen. Aus pädagogischen Gründen nimmt er sich vor, seinen Eltern nichts davon zu sagen. Die werden sonst übermütig, triumphieren, wollen alles schon vorher gewusst haben. Besser, sie haben ein schlechtes Gewissen und schmoren in Schuldgefühlen. Nicht zu viel, sonst kippt das in Spannung um. Gerade so, dass sie ihm nicht reinquatschen. Dali lächelt. Sogar die Möwen sind hier größer als die vom Starnberger See.
09
Love is a Sickness I
Keath schmeißt sein letztes Stück Fladenbrot nach der Möwe, die sich am dichtesten an ihn rangemacht hat. Der Appetit ist ihm vergangen. Nirgendwo hat man seine Ruhe, obwohl er sich mit seinem Abendbrot schon extra an den Elbstrand verzogen hat. Um ihn herum glimmen Lagerfeuerchen. Im Sand lagern Leute, und Schiffe kommen und gehen. Die Amur, ein russisches Containerschiff, biegt Richtung Containerhafen ab, während die Believer, ein Frachter aus Malta, rausfährt. Die Beluga Mastery unter der Flagge von Gibraltar, folgt der Amur. Die 350 Meter lange und 42 breite CMA CGM Ivanhoe aus Liberia muss an der fetten Cosco Europe vorbei, die unter panamesischer Flagge fährt und 349 endlose Meter lang und 46 Meter breit ist. Wie gigantische Häuserblocks ziehen die Schiffe vorüber. Unter welcher Flagge das 304 Meter lange und schwarz angemalte Frachtschiff, Hanjin Chongqing, fährt, kann der nervende Typ neben ihm in der anbrechenden Dunkelheit nicht erkennen, und zum Glück weiß er es auch nicht auswendig, sonst hätte er es alle, die am Elbstrand für sich sein wollen, wissen lassen und nicht nur seine arme, wahrscheinlich genauso nervige Frau. Verärgert flüchtet Keath mit seiner faltbaren Isomatte so weit wie möglich weg
von dem Brüllschwätzer. Wie kann ein erwachsener Mann annehmen, dass sich die Welt für sein kindisches Faktenwissen interessiert? Kotz! Und zu Hause, wo er jetzt am liebsten wäre, läuft er Gefahr, dass ihm die bescheuerten afrikanischen Trommelgruppenweiber, Freundinnen seiner Mutter, die gerade alle zusammen ihren hundertsten afrikanischen Tommelworkshop machen, an die Wäsche gehen. Zum Kotzen, dieses Geflöte: Bist du wirklich Keath? Was bist du groß geworden … ! Er belästigt doch auch nicht die ganze Welt mit seinem Stuss.
»Hi, Matrose, bist du mit dem schwarzen Schiff gekommen?« Vor Keath schwankt ein barfüßiges, angetrunkenes Mädchen. »Wir ham Bier. Du bist
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