Liebe stand nicht auf dem Plan
Einfluss hat das gemeinsame Putzen auch ohne Keath gut geklappt, wenn man von der Tatsache absieht, dass Maika wohl niemals die stinkenden Toiletten putzen wird. Ohne einen Ton darüber zu verlieren, scheinen alle davon auszugehen, dass sie, Nora, über keinen Geruchssinn verfügt. Egal, sie liebt den Schrubberdance mit Keath und nach dem Lokus den neu dazu gekommenen Ekel-Würg-Dance. Heute hat sie zwar das Exklusivrecht darauf, Glanz in die Hütte zu zaubern. Aber das heißt, sie kann sich aufs Kampfputzen konzentrieren. Das muss vor allem schnell gehen und sauber aussehen. Zuerst die Scheißhäuser, ein Tribut an die Hygiene, dann Turbofegen und Showwischen, wobei sichtbare Putzstreifen wichtiger sind als gründliche Reinigung.
»Wetten, es kommt kein Schwein.«
»Was laberst du? Du bist doch da.« Nora hält sich eisern daran, nie wieder mit Mehmet zu wetten. »Wie spät?«
»16:20.«
Nora hört ihm nicht mehr zu, als er über die dreckige Bühne meckert. Die nervtötenden Mehmet-Tiraden sind Ausdruck seiner Überforderung, das hat sie kapiert, deshalb perlen sie an ihr ab. Seit den Kätzchen hat sie ihren inneren Frieden gefunden, den lässt sie sich nicht nehmen. Sie legt den extra angefertigten U A-Stempel in die Blechkasse, stellt sie auf die Theke und den Kassentisch schon mal vor die Tür. Maika wird einen blöden Spruch ablassen, weil kein Schwein kommt, aber das ist auch egal. Der Himmel hat ein lichtes Graublau. Nach Regen sieht es nicht aus. Das ist schon mal was.
»Servus.« Dali kettet sein Rad mit zwei massiven Schlössern, von denen jedes mehr gekostet hat als Noras Rad, an den Schuppen und zieht den Sitz ab.
»Heut regnet ’s nicht.«
»Weder Glatzen noch minderjährige Massen sollen eine Chance bekommen, mein Radl zu zerlegen.«
»Es kommt kein Schwein.«
»Das liegt am urbanen Gefüge. Trotz der vielen hervorragen Imbissbuden lehnen Großstädter Massenmastbetriebe ab. Aber voll wird’s trotzdem.«
Dalis Optimismus tut gut. Kein Wort über den fehlenden Alkohol kommt über seine Lippen, als er auf das Getränkeschild pinselt: Alle Getränke 1,50. Leitungswasser umsonst. Dann zeigt er sich beeindruckt von Mehmets Bühnenbeleuchtung, und als der den Saal probebeschallt, legt er ein Solo hin, das Nora beeindruckt. Sollten sie unter sich bleiben, werden sie trotzdem Spaß haben.
»Wo ist Maika?«, fragt Mehmet laut.
Nora fragt sich das schon seit geraumer Zeit. Ihr Handy ist nicht abgestellt, aber sie geht nicht ran.
»Mach du den Einlass«, schlägt Mehmet Dali vor. Er glaubt nicht, dass sie noch auftaucht. Es ist zehn vor fünf.
»Bloß bis sie kommt«, bittet Nora.
Dali hat absolut keine Lust darauf, aber er geht trotzdem und nimmt die Blechkasse vom Tresen.
Nora sagt: »Der Stempel und zwanzig Euro Wechselgeld sind drin.«
Er nickt nur, öffnet die Tür, erstarrt und winkt Nora mit der freien rechten Hand ran. Eine wogende Masse, »endlich« und »jetzt geht’s los« brüllend, steht dicht gedrängt im Hinterhof.
»Dreh auf«, brüllt Nora Mehmet zu.
In der Nanosekunde, in der sie ihm in die Augen geschaut hat, bevor sie hinter der Bar verschwunden ist, hat er es blitzen sehen und interpretiert das so: Da draußen sind welche, die wollen rein
und deine Musik hören. Ein Adrenalinschub haut ihn um. Ihm wird schwarz vor Augen vor Lampenfieber. Purer Zufall, dass er den Lautstärkeregler findet. Er dreht auf.
Nora stellt im Akkord Flaschen auf die Theke und knackt Kronkorken weg. Wie Dali es schafft, dass ununterbrochen Leute hereinströmen, ist ihr ein Rätsel. Die meisten müssen das abgezählte Geld in der Hand vorgewärmt haben, grübelt sie. Dann hört sie auf zu denken und reagiert nur noch auf Zuruf. Zwei Limo. Ein O-Saft! Cola! Zwei Ingwer-Orange und einmal Quitte … und nach zwanzig Minuten hofft sie nur noch, dass es aufhört. Nach einer Stunde überkommt sie tiefe Verzweiflung. Maika kommt nicht, sie kann nicht weg, tausend Leute quatschen gleichzeitig auf sie ein. Um Viertel nach acht macht Dali die Kasse zu und löst sie ab.
Nora wankt aufs Klo und stopft eine Plastiktüte mit dem Blechkasseninhalt in ihr Geheimversteck hinter den Kacheln. Die Erlöse ihrer Musikdownload-Geschäfte befinden sich bereits da.
Fast alle tanzen, und Mehmet hat das Publikum im Griff. Nora registriert, dass nur wenige Mädchen im Nuttenoutfit, wie Maika das nennt, erschienen sind. Muss daran liegen, dass dienstags um 17 Uhr weder die Stunde noch der Tag ist, knapp umwickelt durch
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