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Liebe stand nicht auf dem Plan

Liebe stand nicht auf dem Plan

Titel: Liebe stand nicht auf dem Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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Tüte.
    »Hallo«, grüßt Keath zurück.
    »Die Kleine ist zu klein für dich«, sagt der mit Tüte und schwenkt sie. »Willst du nicht mitkommen? Wir machen Party-Party.«
    Sie sind auf gleicher Höhe.
    »Welche Kleine?«, fragt Keath. »Die Lady mit dem Rad ist größer als ich.«
    Nora grinst. »Seid ihr schon über achtzehn?«
    Der ohne Tüte ist mindestens dreißig, kiekst aber: »Ich bin sechzehn, mein Freund siebzehn.«
    »Wir kommen von ner Party nur für Minderjährige. Nächsten Dienstag könnt ihr mitfeiern.«
    »Na dann tschüss, bis nächste Woche.«
    Schweigen und schlendern, zufällig mit der Schulter seinen Arm berühren, Blicke tauschen. Er kriegt ihren, sie nimmt seinen.
Eine Ewigkeit könnte Nora so um die Häuser ziehen. Alle Geräusche werden intensiver, die Farben leuchten bunter, sogar der Geruch der Hähnchen-Station verwandelt sich in einen Duft von …
    »Wonach … stinkt diese verdammte Grillstation so derbe?«, fragt Keath.
    »Nach verbranntem Fett? Verwesung mit Paprika? Dem Ende in Ketchup?«
    »Würg! Bist du Vegetarierin?«
    »Ich bin Polin.« Sie klingt entrüstet. »Meine Babka macht leckere fette Würste, da gerate ich in religiöse Verzückung. Der starke Glaube meines Volkes kommt unter anderem von unserem ausgezeichneten Essen.«
    Keath lacht leise, und Nora denkt, ich schreibe ein Lied, das muss klingen wie sein Lachen. Bei jeder Unebenheit klingen die Münzen in ihrem Rucksack. Ihre Schritte sind leicht und weich ihre Bewegungen, wenn sie Entgegenkommenden ausweichen. Sie summt die Melodie des leisen Lachens und hält sie fest.
    Neben ihnen hupt ein Autofahrer wie verrückt. »Fahr los, du Penner!«, brüllt er aus dem Fenster und seine Stimme schnappt über.
    Sie sehen nicht mal hin. Nora blendet den Lärm des aufheulenden Motors und der quietschenden Reifen aus, und sie biegen in den Pinnasberg ein.
    »Wird deine Vespa fertig?«
    »Wenn ich das Team von Alonso hätte, wär sie’s schon. So muss ich sie leider komplett neu erfinden. Immerhin springt sie wieder an, und Leif zahlt die Ersatzteile. Ich hab keinen Bock, einen Cent dafür auszugeben, dass die Arschlöcher es auf ihn abgesehen haben.«

    Am Park Fiction bleiben sie stehen, ohne sich zu berühren, aber Keath spürt ihre Wärme.
    Zwei Kinder kicken Bierdosen über den Platz. Im spektakulären Hafenlicht schwenkt ein Kran das herausgeschnittene Teil eines Frachters, der im Dock 11 abgewrackt wird. Harmonie steht darauf. Sie gehen weiter, als ein Bugsierer den Frachter Aura hereinschleppt.
    »Wo gehen wir hin?«, fragt Keath nach einer Weile.
    »Ich muss zu Maika«, sagt Nora.
    Und als sie an Maikas Wohnblock angekommen sind, sagt Keath: »Also, bis morgen.« Er lächelt dabei.
    »Ja, bis morgen.« Nora berührt ihn leicht am Ärmel. »Mach’s gut.«

16
Motherless Child
    Wegen VANDALISMUS außer Betrieb.
    Zum Schutz vor Vandalen ist der Hinweis von innen an die vollgeschmierte Scheibe der Fahrstuhltür festgeklebt worden. Außen kleben Kaugummis. Vor dem Aufzug liegt Abfall. Nora wirft sich den Rucksack auf den Rücken und geht von seinem Gewicht und dem Stoß in die Knie. Ein paar frustrierte Mitbewohner können die Bedingungen für alle im Block ganz schön verschärfen. Nicht an der Hausverwaltung oder an irgendwem, der reagieren könnte, lassen sie den Frust über ihre Machtlosigkeit aus. Treppenhaus, Fahrstuhl und Briefkästen müssen dran glauben. Nora zieht sich am Treppengeländer hoch und denkt an linksdrehenden Joghurt. So fühlt sie sich, als im ersten Stock ihre Beine anfangen zu zittern. Ivonne ist eine Nutte, steht an der Wand. Es ist mehrmals übermalt worden, das kann man an den unterschiedlichen Farbschichten sehen. Aber jemand hat es immer wieder neu auf die Übermalung gesprüht. Nora umrundet den Aufzug und muss höllisch aufpassen, nicht der Länge nach über die Latschen zu fliegen. Beim Runtergehen wird sie die Schuhe zählen, die wie bei einer Ausstellung vor der einen Tür aufgereiht, bei der nächsten zum lockeren Haufen aufgeschichtet
sind und sonst einfach im Flur herumliegen. Schuh- und Essensmief ergeben eine ungute Synthese, und der Anblick der verstreut herumliegenden Schuhe lässt sie an eine Katastrophe denken. Als sei den Menschen etwas passiert, die sie eben an ihren Füßen getragen haben. Tod, Unfall, Flucht. Der Glanz in Noras Augen, den Keath und der kleine Spaziertanz vom Club hierher hineingezaubert haben, lässt nach. Im zweiten Stock hört Nora Maikas Stimme, und ihre Wut

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