Liebe stand nicht auf dem Plan
den Kiez zu flanieren. Auch am Taschengeld für Eau de Toilette, das bei Schulpartys literweise über die Körper vergossen wird, ist gespart worden. Dafür wird geknutscht, getanzt, gelacht, geschubst und »toll«, »geil«, »super« gebrüllt. Der Saal ist voll und kocht vor gut gelaunter Aufregung. Nora wühlt sich zur Bühne vor und tanzt mit Mehmet, der glücklich aussieht. Dann sind die Getränke alle. Dali tauscht leere gegen volle Kisten aus, während Nora den Durstigen mit Leitungswasser über die Runden hilft. In den letzten fünf Stunden hat Maika es nicht für nötig
gehalten, anzurufen. So etwas kapiert doch keiner! Nora kann nicht an Maika denken, ohne etwas kaputt hauen zu wollen. Sie so hängen zu lassen, ist das Allerletzte! Wenn Maika von Anfang an keinen Bock darauf gehabt hat, den Einlass zu machen, hätte sie jemand anderes finden können. Man muss es bloß wissen, du Arschloch, denkt Nora wütend.
Als stünde die Weltknappheit von Limo unmittelbar bevor, werden Nora bis zur letzten Minute die Flaschen aus der Hand gerissen.
Mehmet peitscht die Masse noch einmal über die Tanzfläche, und dann ist es: »Time to say good bye! Bis nächsten Dienstag!«
Verschwitzt, zufrieden und ohne zu murren schieben alle Schlag neun ab.
An der abgeschlossenen Stahltür lehnt Dali. Nora drückt ihm vierzig Euro in die Hand. Ihre zittert dabei. Totenstille herrscht im Club. Von Dalis Stirn tropft Schweiß. Sie zieht ihn hinter sich her, ächzend krabbeln sie auf die Bühne und kippen neben Mehmet um. Der liegt mit ausgebreiteten Armen da, die Augen geschlossen, ein seliges Lächeln auf den Lippen. Er zuckt nicht mal zusammen, als Nora ihre Hand auf seine Brust fallen lässt und mit den Fingern auf sein Honorar tippt, bevor ihre Hand wieder ru nterrutscht.
»Danke, Mehmet, danke Dali«, krächzt sie.
»Is schon gut«, murmeln die Bedankten.
»Hast du den Gig mitgeschnitten?«, will sie wissen.
Mehmet nickt.
»Ich zieh ihn auf Sticks und verkauf sie. Halbe-halbe.«
»Die hört nie auf«, stöhnt Dali.
»Was ist, Mehmet? Verticken wir die sensationelle Abdance-Mucke oder nicht?«
»Okay«, kichert Mehmet, »aber halt einfach mal die Klappe.«
Nach ein paar Minuten, die ganz dem Ein- und Ausatmen gehören, ziehen sie sich gegenseitig hoch.
»Kommt kein Schwein«, murmelt Nora und klopft Mehmet den Staub vom Rücken.
»Bis auf Maika waren alle da. Das war das Beste, was ich je erlebt hab.«
Er packt sie und lässt erst los, als es wehtut. So nah, und er traut sich nicht, sie zu küssen. »Und du bist am Beginn meiner großen Karriere total eingesaut, nicht zu fassen.« Seine Stimme ist rau.
Nora spürt einen Stich im Herzen.
»Zum Orient-Express?« Mehmet braucht Heldenfutter, Dali auch.
»Nee, ich knöpf mir Maika vor, und dann fall ich um.«
Nora ist allein und kippt die Getränkekasse in ihren Rucksack. Die Münzen sind schwer. Seit Monaten wechselt sie in unterschiedlichen Banken Fünfeurostapel in Hunderter. Jetzt muss sie auch noch Münzen rollen und das Eintrittsgeld in große Scheine tauschen. Geld nimmt viel zu viel Platz weg, denkt Nora, als die Tür aufgeht.
Verschmiert sieht sie besonders süß aus, denkt Keath. »Du hast nicht abgeschlossen.«
Komisch, denkt Nora, bei Leif klingt das wie ein Kündigungsgrund, bei Mehmet wie Anmache und bei ihm – liebevoll. »Bin gerade dabei.«
»Wo sind die andern?«
»Im Orient-Express. Ich bin zu fertig.«
»Dann nichts wie weg«, sagt er. »Du brauchst frische Luft.«
Er stellt die leeren Kisten in den Schuppen, stapelt sie aufeinander und murmelt kopfschüttelnd: »Dehydriert ist keiner.«
Ob sie ihm von den Kätzchen erzählen soll? Nein, es ist zu dunkel, und sie kriegt mal wieder die Zähne nicht auseinander. »Es war voll.«
»Ich weiß, die DreckBusters reden von ›der Superparty‹.«
»Maika ist einfach nicht gekommen«, sagt Nora und wuchtet ihren Rucksack auf den Gepäckträger.
»Dann mach ich das nächste Mal den Einlass. Ich flöß Respekt ein, das diszipliniert die Kids.«
»Sehr gut. Das entspricht voll dem Konzept.« Nora schiebt ihr Rad, und Keath schlendert neben ihr her.
»Hast du trainiert?«
»Hast du ein neues Lied?«
Einvernehmliches Schweigen senkt sich auf ihre Gemüter wie eine Feder. Beide fühlen sich seltsam. Ein leichtes Nieseln setzt ein. Zwei Kerle kommen ihnen aus dem Gay-Sex-Shop entgegen und albern herum. Einer trägt eine Plastiktüte.
»Hallo, schöner Mann«, gurrt der ohne
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