Liebe stand nicht auf dem Plan
mit ihrem letzten U A-Club-Plakat die schwarz-gelb-rote Werbung für die »heißeste Erotik-Messe des Jahres« auf dem Bauzaun überklebt, blickt sie starr nach vorne in die ungewisse Zukunft. Eine Panikwelle erfasst sie. Was passiert, wenn ganz viele kommen, und es wird die peinlichste Party des Jahres? Nora verheddert sich unter dem Erfolgsdruck im Gefühlschaos. Wie die S1 in der Kurve mit schrillem Gekreische, rauscht die Zeit an ihr vorbei. Zack, sind ganze Tage weg. Am Mittwoch vergisst sie die komplette Musikbestellung zu Hause, am Donnerstag widerspricht sie vehement Frau Bruns und behauptet, es sei Mittwoch und die angekündigte Deutscharbeit käme erst morgen dran. Benommen starrt sie am Freitagmorgen im Physikunterricht auf ihre Hauslatschen und muss in der Pause neben zig Fragen zum U A-Club auch die zu ihrer abgefahrenen
Schuhmode beantworten. Am Nachmittag verpackt sie wieder wackelnde Elvispuppen im Akkord, kommt zu spät zum Putzen und tanzt anschließend den unvermeidlichen Jailhouse Rock. Keath beherrscht den Elvisstil vollkommen. Der Rest lernt von ihm, und alle grölen mit. Sie sind zum ersten Mal wieder komplett, die Tage davor hat Keath ununterbrochen an seiner Vespa geschraubt und nicht mitgeputzt. Aber er hat sie wieder zum Laufen gekriegt und ist nun wieder im Club. Die Glatzen lassen sich nicht blicken, und Noras Nervosität diesbezüglich lässt nach, dafür dreht sie durch, wenn sie an den näher rückenden ersten U A-Club denkt.
Wie im Rausch vergeht das Wochenende. Und dann ist schon wieder Montag. Noras Getränkebestellung wird gleich geliefert. Sie muss im Schuppen Platz dafür freimachen. Mit der Vespa, die jetzt auch hier steht, ist es noch enger, und alles ist eine Nummer zu groß und zu schwer für sie. Während sie die Kisten stapelt, zweifelt sie nicht im Geringsten daran, dass kein Schwein kommen wird, weil es de facto total schwachsinnig ist, dienstags von fünf bis neun eine Party zu veranstalten. Ein Fiepen reißt sie aus ihren Gedanken. Sie quetscht sich zwischen den schwankenden Türmen aus aufeinandergestapelten Kisten nach hinten. Vier kleine, blinde Kätzchen liegen auf dem hereingewehten Laub. Warm sieht das nicht aus. Im Club findet Nora alte Geschirrtücher und macht neben ihnen ein Lager. Eine Viertelstunde hat sie noch. Sie rast in die Paul-Roosen-Straße zu EDE-KA und holt Katzenfutter.
»Hast du Probleme, oder was?«
Ja, hat Ron, Beinprobleme nämlich. Er ist eingekeilt. Sandro liegt fett auf dem Fahrersitz, und Dennis dreht die Rückenlehne runter, obwohl Ron die längsten Beine hat und hinten sitzt.
Er hasst das Dreier-Gequatsche im BMW 3er. Strategie, Plan, alles Blödsinn. Das Beste ist Druck. Jedes Balg weiß das. Und zwar mehr Druck, als Mopeds abfackeln. »Die Clubtussi mach ich fertig«, knurrt er, als er Nora aus dem Laden laufen und gehetzt auf der anderen Straßenseite an ihnen vorbeirennen sieht.
Ron hört weg, als Dennis wieder von vorne anfängt: keine offenen Aktionen, Objekt und Gegner beobachten, verdeckt zuschlagen. Erst wenn Borg geschnallt hat, dass er nix tun kann und sie ihn und seine Leute erwischen, wo und wann sie Bock haben, dann wird er, Dennis, ihm die Bedingungen klar und verständlich machen, zu denen er ihm seinen Club übergeben darf.
Der Getränkeblitz liefert gerade die Bionade- und Limokisten an, als Nora vom Supermarkt zurückkommt. Sie zahlt, und der Lieferwagen fährt wieder vom Hinterhof. Mit der Transportkarre wuchtet sie so viele Kisten wie möglich unter die Theke. Den Rest stapelt sie im Schuppen. Dann lauscht sie. Die Kätzchen geben keinen Ton von sich. Auf dem Weg nach hinten entdeckt Nora die fehlende Latte, die der Katze als Ein- und Ausgang dient. Und dann haut es sie um; die Mutter hat die Kleinen bereits in die Tücher umgebettet. Nora könnte heulen, so sehr freut sie sich darüber. Vermutlich ist die Alte nicht weit weg, denkt sie und lugt zwischen den Latten nach draußen. Eine Spinnwebe kitzelt sie an der Nase. Sie zieht den Kopf schnell zurück und schüttet eine großzügig bemessene Portion Trockenfutter auf den Boden.
Die Katzenaktion hat Nora auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht. Als der Dienstag endlich da ist, denkt sie grinsend an Babkas Leitspruch: Es kommt, wie’s kommt. Zu Mehmets Musik kann sie auch allein tanzen.
Der Höhepunkt war die Entdeckung von Dalis Portraits am
letzten Montag. Niemand hatte damit gerechnet, dass er so schnell sein würde. Unter diesem künstlerischen
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