Liebe stand nicht auf dem Plan
nimmt den Rucksack, der ihr plötzlich federleicht vorkommt.
18
Love is a Sickness II
Auf dem Schulweg, vor der Schule, auf dem Klo, in der Pause, am Kiosk und im Park sind die U A -DJÇay-Vol.1 und U A -DJÇay-Vol.2 -CDs zu acht Euro weggegangen wie nichts. Jetzt sitzt Nora mit geschlossenen Augen in der Sonne, lächelt und träumt. Die andern haben zwei Stunden Sport. Der Wind treibt den Grillqualm in die Gegenrichtung. In allen Sprachen bekommen die spielenden Kinder ihre Anweisungen zugerufen. Sobald es die Temperaturen zulassen, werden Küchen und Kinderzimmer nach draußen verlegt. Der verlotterte Park ist eine Oase der Entspannung.
»Sie können nicht die Zigaretten im Sandkasten ausdrücken! Ein Stummel kann tödlich sein, wenn ein Kind ihn in den Mund steckt.«
»Hund scheißt rein. Kinder spielen nicht da. Spielen dort …«
Nora hört mit einem Ohr der Auseinandersetzung zwischen dem Ein-Euro-Ordnungshüter in roter Windjacke und dem Lager der Mütter zu.
»Euren ganzen Dreck lasst ihr rumliegen, das ist ein öffentlicher …«
»Putz! Und laber nicht«, wird er resolut unterbrochen.
Ohne nachzudenken, hat die Frau die Befehlsform fehlerfrei
rausgehauen. Sie muss den Spruch oft gehört haben, eine Deutschland-Putzkolonnen-Kollegin vermutlich. Durch ihre halb geschlossenen Lider sieht Nora einen entrüsteten roten Fleck dem Ausgang zustreben. Dann zieht eine Gewitterziegenwolke auf und verdeckt die Sonne.
»Machst du blau? Dein Veilchen ist es schon.«
»Nee. Du?«
»Ich hab kein Veilchen, und ich bin entschuldigt. Ich kriege Jacketkronen. Das Lächeln von Karolina Kurkova, hab ich meinem Zahnarzt gesagt, das ist die Devise.«
»Hm.« Noch immer fällt Katies Schatten auf Nora. »Lass mal die Sonne durch.«
Sie weicht keinen Zentimeter zur Seite. »Und du?«
»Ich spreche nicht über Krankheiten. Datenschutz, du weißt schon.«
»Jacketkronen sind keine Krankheit, das ist eine Investition in der Größenordnung eines gehobenen Kleinwagens.«
Nora reißt erstaunt die Augen auf. »Puh, muss ja übel aussehen. Eine Totalsanierung? So jung und schon Zahnfäule? Lächle mal.«
»Witzig«, kommt die Antwort ohne Lächeln. und dann so nebenbei: »Hast du noch ne CD von deinem … Underage … Club?«
»Nein.«
»Was, nein?« Katie gehört nicht zu denen, die ein »Nein« akzeptieren.
»Hab keine. Komm einfach am Dienstag«, lädt Nora freundlich ein.
»Nee, echt nicht. Bin zu alt für so was.« Das soll genau so klingen, wie sie es sagt. Von oben herab.
»Was, zu alt?«, fragt Nora verblüfft. »Bist du etwa über achtzehn? « Katie hätte Keath nicht Spießer nennen dürfen.
»Was ist daran so erstaunlich?«
»Och, nichts. Hätte ich bloß nicht gedacht.« Nora rückt ins Sonnenlicht. »Du siehst jünger aus«, setzt sie nach.
»Wieso denn das?« Katie wird ein bisschen schrill. Wenn jemand wie ein Kind aussieht, dann diese dünne Person.
»Das ist doch keine Beleidigung, jetzt krieg dich mal wieder ein. Du bist eine Klasse über mir, und ich bin fünfzehn. Deshalb wundere ich mich.«
»Es ist üblich, dass man wiederholt, wenn man ein Auslandsjahr gemacht hat. Du hast das vermutlich nicht.«
»Doch. Neun. Oder sechs. Wie man’s nimmt.«
Katie überlegt und rechnet. »Das ist was anderes«, ist der Schluss, den sie daraus zieht.
Nora schweigt sich aus. In der Stille, die sich ausbreitet, hört sie jemand ihren Namen rufen. Vor ihr bremst ein Mädchen ab. »Merhaba, ist nächsten Dienstag Club?«
»Ja, kommst du?«
»Klar«, sie strahlt. »Legt Mehmet auf?«
»Ja. Aber sollen wir nicht auch mal ne Life-Band einladen?«
»Find ich gut. Aber Mehmet ist spitze.« Das Mädchen rollt verzückt mit den Augen.
Nora lacht. »Ich richte es ihm aus.«
»Mach das. Bis dann, ich muss auf meinen kleinen Bruder aufpassen, der frisst da drüben Gras.«
»Solange er kein Glas frisst …« Sie ist schon weg.
Mit zusammengekniffenem Mund hat Katie die Unterhaltung verfolgt. »Findest du nicht, dass du eine etwas zu große Nummer abziehst mit deinem Aua-Club?«
»Nein.« Nora sieht Katie ruhig an. »Du sagst, du bist echt zu alt für so was. Deine Worte. Du bist volljährig und kannst in jeden Club, so lang du willst. Was ist dein Problem?«
»Und du sagst, ich sehe jünger aus, deine Worte. Warum checkt dein blöder Türsteher dann meinen Ausweis?«
»Wer hat dich nicht reingelassen, wo du gar nicht reinwolltest? «
»Dein blöder Türsteher!« Jedes Wort stark betont.
»Vermutlich hat
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