Liebe stand nicht auf dem Plan
hier vertreten.«
Keath hat der Schule den Rücken zugewandt, schluckt und
zuckt zusammen, als einer hinter ihm »Hi, DJ Çay« schmettert. »Plus deinem Fanclub. Jetzt wo du’s sagst, glaub ich das gern.« Er wischt sich die Krümel vom Mund.
»Und was machst du hier?«, hakt Mehmet nach. Die Frage ist noch nicht beantwortet.
»Muss Yams besorgen«, fällt Keath im allerletzten Moment vor einer peinlichen Pause ein. Gesprächsthemen sind nicht unerschöpflich, wenn man dem eigentlichen Gespräch lieber aus dem Weg gehen will.
»Yams, die riesige Wurzel?«
»Yo, Alder, die mein ich. Hast du zufällig Dali rauskommen sehen? « Das muss er sagen, bevor ihm Mehmet zuvorkommt, weil er weiß, dass sie im Partnerpack auf Nora warten, es aber beide nicht zugeben wollen und sich deshalb um Kopf und Kragen quatschen, wieso sie beide zufällig hier sind.
»Nein, soll ich ihm was ausrichten, falls ich ihn sehe?«
»Ne, nicht nötig. Ciao, Çay.« Keath düst mit 50 durch die 30iger-Zone. Was für ein bescheuertes Dilemma. Ausgerechnet er und Mehmet kommen sich in die Quere. Auf der Höhe des Parks reißt Keath seine Vespa herum und verschwindet in einem halsbrecherischen Manöver in der Seitenstraße. Vorne an der Ampel stehen Dali und Nora. Er fühlt sich jetzt nicht fit für ein Gruppenmeeting und sieht sich schon quatschen mit den beiden. Und zu guter Letzt kommt dann wahrscheinlich auch noch Mehmet dahergeradelt und macht den Dreier mit Nora perfekt. Was will er, Keath, eigentlich von ihr? Mal abgesehen davon, dass er wahnsinnig gern mit ihr zusammen ist, ist sie zu jung, was er zu vergessen pflegt, wenn er mit ihr zusammen ist. Distanz halten, anstatt sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit nach Hause zu bringen und vor ihrer Schule herumzulungern und um sie rumzutanzen, wäre besser.
Auch Mehmets gehobene Stimmung hat einer gedrückten Platz gemacht. Er radelt vor sich hin, verliert sein Cap, bremst und muss mit ansehen, wie es von einem Auto platt gefahren wird. Die Schnalle ist geschrottet, der Druckknopf platt. Er klemmt das Cap auf dem Gepäckträger fest und spürt den Wind auf dem Haarboden. Keath, der größte Aufreißer der westlichen Hemisphäre, ist hinter Nora her. Augenblicklich ist Mehmet zerknirscht. So ist das nicht korrekt. Der Typ, der kein Mädchen rumkriegen muss, weil jede versucht, ihn rumzukriegen, ist hinter seiner Elfe her.
»Mehmet!« Wie hergezaubert winkt sie ihm von der anderen Straßenseite zu, und neben ihr steht breit der Sepp.
Mehmet stellt sich in die Pedale und schlängelt sich rüber.
»Ich lad dich auf ’n Tee ein. Hab ne Überraschung für dich.« Nora wuschelt ihm durch die Haare.
»Lass das, die sind frisch geföhnt«, grinst er zurück. »Was für ne Überraschung?«
Bei der Altonale-Spaßparade hat Nora vom dritten Parkdeck des Real -Markts aus stundenlang die Marching- und Brassbands, Steelorchestras, Percussion- und Sambagruppen für ihn aufgenommen! Keine Mühen hat sie gescheut, lizenzfreie Sounds und Beats, wuchtig und schräg, laut, präzise und in bester Qualität zu sammeln! Und dann ist da noch sein Anteil der verkauften U A-Mitschnitte, hundert insgesamt, das macht vierhundert Euro. Mehmet ringt um Fassung, während Dali für Döner und Ayran ansteht.
»Danke für das, was du aus meinen Liedern gemacht hast. Einen Tee auf dich, auf lange Freundschaft und auf unseren zukünftigen Club.«
19
Life’s empty Eyes
»Yaşasin! DJ Çay«, brüllen die einen Fans. »High, Çay! High, Çay! Higher!«, die anderen. Kaum hat sie angefangen, rockt die Party bereits dem Höhepunkt entgegen. Mehmet hat sich nicht mehr und nicht weniger vorgenommen, als das Level bis Schlag neun auf höchstem Niveau zu halten. Das Publikum rast, er rast ihnen entgegen, so soll es sein. Ich liebe meine Leute, alle, denkt Nora. Mehmet, weil er auf der Bühne auspackt wie ein Bekloppter und alles tut, damit sich alle so gut fühlen wie er. An der Bar erfüllen Dali und Maika die abartigsten Wünsche nach Limo-Kreationen, und Keath sorgt schon draußen für gute Stimmung.
»Mein Verfallsdatum ist abgelaufen. Glaub mir, sonst täte ich nichts lieber«, lehnt Keath die Einladung zum Mitfeiern ab. Das ist nicht die ganze Wahrheit. Er akquiriert und hat Anmeldungen für zwei neue Tanzgruppen gesammelt. Dafür kassiert er Honorar, und nebenbei kommt es seinem Training zugute.
»Aber für dich gilt das nicht. Du arbeitest hier. Alle freuen sich, wenn du kommst«, schnurrt das Mädchen.
Weitere Kostenlose Bücher