Liebe, Stolz und Leidenschaft
Savannah auf dem Markt von Mrs. Metz erfahren.
Es gab zwei Veranden. Die im zweiten Stock wurde gerade abgerissen. Das muß wohl sein, dachte Savannah betrübt. Das Holz war verrottet, hing durch, und das Betreten wäre zweifellos lebensgefährlich. Aber die untere Veranda war offensichtlich neu, noch ungestrichen und tadellos in Ordnung.
Am Ostflügel war ein Gerüst errichtet worden, und im verwilderten Garten bedeckten Planen Berge von Baumaterial. Savannah hielt neben einem mit Schutt beladenen Pick-up und stellte den Motor ab.
Als sie an die Haustür klopfte, rief jemand etwas. Wer immer es war, er hörte sich leicht gereizt an. Sie trat ein und blieb wie angewurzelt stehen, erschüttert von den Gefühlen, die sie schlagartig erfüllten. Lachen und Tränen und Entsetzen und Freude. Die Empfindungen brachen über sie herein und ebbten wieder ab, wie eine Woge, die in sich zusammenfiel.
Dann sah sie den Mann am Ende der Treppe. Lächelnd ging sie hinüber. "Jared, ich habe nicht erwartet, dich hier zu finden. Oh."
Sie bemerkte ihren Fehler sofort. Es war nicht Jared. Das Grün der Augen war dunkler, das Haar ein wenig länger und nicht so gepflegt. Jareds Gesicht war etwas schmaler, die Brauen geschwungener.
Nur das Lächeln war gleich, eind ringlich und irgendwie... gefährlich.
"Ich sehe besser aus", sagte Rafe und kam die Treppe herab.
"Die Ähnlichkeit ist erstaunlich." Savannah streckte die Hand aus. "Sie müssen Rafe MacKade sein."
"Schuldig."
"Ich bin..."
"Savannah Morningstar." Er schütte lte ihre Hand nicht, sondern hielt sie fest, während er Savannah gründlich musterte. "Regan hatte vollkommen recht."
"Wie bitte?"
"Sie waren letzte Woche im Laden meiner Frau. Regan hat Sie mir beschrieben und meinte, ich solle Sie mir wie Isis, die ägyptische Göttin, vorstellen. Damit konnte ich nicht viel anfangen, ehrlich gesagt. Also meinte sie, ich solle mir eine Frau vorstellen, die einem Mann den Atem raubt."
"Das ist ein ziemlich gewagtes Kompliment."
"Und eins das zutrifft", sagte er. "Jared hat mir erzählt, daß Sie vorbeikommen würden." Er hakte die Daumen hinter den Werkzeuggürtel.
"Ich möchte Sie nicht bei der Arbeit stören."
"Bitte, stören Sie mich bei der Arbeit." Er lächelte. "Ich schlage ohnehin nur die Zeit tot, bis Regan aus dem Geschäft nach Hause kommt. Wir wohnen zeitweilig hier.
Möchten Sie ein Bier?"
Er war ein Mann, wie sie ihn verstand und mochte. "Gute Idee."
Sie folgte ihm zur Treppe, doch schon auf der zweiten Stufe blieb sie stehen und starrte gebannt nach oben.
Verblüfft drehte Rafe sich zu ihr um. "Stimmt etwas nicht?"
"Dort. Es war genau dort, auf der Treppe."
"Offenbar hat Jared Ihnen von den Geistern erzählt."
Sie fühlte sich plötzlich schwach und zittrig. "Er hat mir erzählt, daß es diesen jungen Südstaaten-Soldaten gab. Ein Dienstbote holte ihn ins Haus, doch Barlow erschoß ihn. Aber Jared hat mir nicht gesagt ...wo."
Ihre Beine waren schwer, doch sie ging weiter, als könnte sie nicht anders. Die Kälte war schneidend, drang bis auf die Knochen. Ihre Fingerknöchel zeichneten sich weiß ab, so fest packte sie das Geländer.
"Hier", flüsterte sie. "Hier auf der Treppe. Er konnte Rosen riechen, schöpfte Hoffnung, und dann ... Er wollte doch nur nach Hause."
Sie schüttelte den Kopf, ging eine Stufe hinunter. "Ich könnte jetzt das Bier gebrauchen."
"Ja." Rafe stieß den angehaltenen Atem aus. "Ich auch."
"Sagen Sie ... passiert Ihnen das öfter?" fragte Rafe, während er in der Küche zwei Flaschen Bier öffnete.
"Nein", antwortete Savannah mit Nachdruck. "Aber es gibt in dieser Gegend Orte ...
dieses Haus, die Wälder dort draußen ..." Sie verstummte und schaute aus dem Fenster. "Mein Garten, dort, wo ich Akelei gepflanzt habe, und Stellen auf dem Schlachtfeld ... die einem fast das Herz brechen." Nur mit Mühe schüttelte sie die Trauer ab und nahm das Bier, das Rafe ihr reichte. "Alte Gefühle. Die stärksten davon können Jahrhunderte überdauern."
"Ich hatte einen Traum", begann Rafe. Bisher hatte er nur Regan davon erzählt. "Ich renne durch die Wälder. Meine graue Uniform ist blutverschmiert. Ich will nur nach Hause. Ich schäme mich dafür, aber ich habe eine Todesangst. Und dann sehe ich ihn, den anderen Soldaten, den Feind. Ein Dutzend Herzschläge lang starren wir einander an, bevor wir angreifen. Der Kampf ist grauenhaft. Brutal und sinnlos.
Danach schleppe ich mich hierher. Ich bilde mir ein, daß ich zu Hause bin.
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