Liebe um Mitternacht
mit Brille und modisch gekleidet in eine karierte Hose, eine gestreifte Weste und einen leuchtenden Ausgehrock, eilte in das Zimmer.
Harold kleidete sich genauso modisch – einige behaupteten sogar noch modischer – wie sein Arbeitgeber. Aber, so überlegte Adam, wenn man einen Mann einstellte, dem man sein volles Vertrauen schenkte, dann musste man ihm auch so viel bezahlen, dass er sich das leisten konnte.
Harold war schon seit mehr als sechs Jahren Adams Mann für besondere Geschäfte. Er konnte Geheimnisse für sich behalten.
»Ich habe Ihre Nachricht bekommen und bin sofort hierher geeilt, Sir«, erklärte Harold.
»Ich weiß Ihre Pünktlichkeit zu schätzen, wie immer. Bitte, setzen Sie sich.«
Harold sank auf den Stuhl vor dem Schreibtisch, rückte seine Brille zurecht und holte ein kleines Notizbuch und einen Stift hervor.
»Sie haben gesagt, es handele sich um eine dringende Angelegenheit, Sir?«
»Ich möchte, dass Sie sofort nach Bath aufbrechen.« Adam legte beide Hände auf den Tisch. »Dort werden Sie einige äußerst diskrete Nachforschungen anstellen über einen Skandal, der dort vor ungefähr drei Jahren geschehen ist.«
Harold machte sich Notizen. »Dabei geht es wohl um eine geschäftliche Angelegenheit, nehme ich an?«
»Nein, die Sache ist eher persönlicher und privater Natur. Ich möchte, dass Sie alles herausfinden, was möglich ist, über eine Lady mit dem Namen Caroline Fordyce.«
»Mrs. Fordyce?« Harold hob schnell den Kopf. »Handelt es sich dabei vielleicht um die Schriftstellerin, Sir? Die Mrs. Fordyce, deren Romane im
Flying Intelligencer
veröffentlicht werden?«
Adam seufzte resigniert. »Ich scheine der einzige Mensch in ganz London zu sein, der bis vor kurzem ihre Arbeit nicht gekannt hat.«
»Sie schreibt sehr aufregende Sachen«, erklärte Harold begeistert. »Sie lässt einen die wildesten Vermutungen anstellen. Ihr letzter Roman ist bis jetzt der aufregendste, so weit ich das beurteilen kann. Er heißt
The Mysterious Gentleman.«
»Ja, ich weiß.« Adam öffnete und schloss die Hände, dann verschränkte er die Finger miteinander. »Ich glaube, der Name des Bösewichtes ist Edmund Drake.«
»Ah, ich sehe, Sie verfolgen die Geschichte auch, Sir. Wir haben zwar bis jetzt noch nicht viel von Edmund Drake gehört, aber es ist offensichtlich, dass er ein Halunke ist. Ich kann wohl sagen, dass er ein böses Ende finden wird, genau wie die anderen Bösewichte in Mrs. Fordyces Romanen.«
Adam versuchte, seine Neugier zu unterdrücken, doch das gelang ihm nicht. »Genügt denn nicht die Tatsache, dass Sie bereits den Namen des Bösewichts kennen und wissen, dass er ein unrühmliches Ende nehmen wird, um der Geschichte ihre ganze Spannung zu nehmen? Was hat es denn für einen Zweck, einen Roman zu lesen, wenn man das Ende schon kennt, noch ehe man die erste Seite zu Ende gelesen hat?«
Howard betrachtete ihn vollkommen verwirrt. Dann erkannte Adam, wie er zu begreifen begann.
»Ich nehme an, Sie lesen nicht sehr oft einen Roman, Sir«, meinte er, und aus jedem seiner Worte hörte Adam Mitleid.
»Nein.« Adam lehnte sich in seinem Sessel zurück und umfasste die Armlehnen. »Es gehört nicht zu meinen Gewohnheiten, Romane zu lesen.«
»Dann erlauben Sie mir, Ihnen etwas zu erklären. Natürlich weiß man, dass in einem Sensationsroman der Bösewicht für seine Taten bezahlen wird, genauso, wie man weiß, dass der Held und die Heldin für ihre guten Herzen und ihre edlen Taten belohnt werden. Diese Dinge werden vorausgesetzt. Doch darum geht es dabei gar nicht.«
»Wirklich? Nun, worum geht es denn bei der ganzen Sache?«
»Also, die Spannung wird dadurch hergestellt, dass man sieht, wie die verschiedenen Charaktere von ihrem Schicksal eingeholt werden.« Harold breitete beide Hände weit aus. »Es ist die ganze Reihe von erstaunlichen Ereignisse in den einzelnen Kapiteln, die die Leser unterhalten und erstaunen, die Wendungen in der Geschichte und das Durcheinander der Gefühle. Deshalb liest man einen Roman, Sir. Nicht, um zu wissen, wie er endet, sondern um die eigenartigen Szenen zu genießen.«
»Ich werde daran denken, wenn ich in Versuchung geraten sollte, noch einen von Mrs. Fordyces Romanen zu lesen.« Adam zog die Augen zusammen. »Und da wir gerade von erstaunlichen Ereignissen sprechen, ich denke, Sie gehen besser jetzt nach Hause und packen. Ich möchte, dass Sie so bald wie möglich nach Bath abreisen.«
»Jawohl, Sir.« Harold stand auf.
»Und
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