Liebe um Mitternacht
zwanzig Minuten später fragte sich Caroline noch immer, was Adam wohl mit seiner letzten, geheimnisvollem Bemerkung gemeint hatte. Sie betrachtet ihn unauffällig und war nicht sicher, was er fühlte. Er hätte eigentlich mittlerweile längst Anzeichen von Ungeduld zeigen müssen, überlegte sie, doch stattdessen schien er sich in dem kleinen Wohnzimmer in der Corley Lane 22 recht wohl zu fühlen.
Er saß in einem Lehnsessel, hatte die Beine ausgestreckt und einen Fuß lässig über den anderen gelegt. Auf dem Tisch neben ihm stand eine halb ausgetrunkene Tasse Tee und ein Tablett mit Törtchen von Mrs. Plummer. Davon hatte er sich reichlich bedient.
»Ich bin sicher, Ihre Nichte hat Ihnen erklärt, dass wir beide der Meinung sind, Elizabeth Delmont sei zur Zeit ihres Todes im Besitz eines gewissen Tagebuchs gewesen«, erklärte er, nachdem er einen Bissen von dem Marmeladentörtchen genommen hatte.
Milly und Emma waren zu Beginn der Unterhaltung sehr distanziert gewesen, doch jetzt schienen sie sehr schnell Adams Charme zu verfallen.
»Ja«, antwortete Milly. »Caroline hat uns von dem Tagebuch erzählt.«
Emma runzelte die Stirn. »Ich gebe zu, ich bin sehr neugierig, was wohl in diesem Tagebuch gestanden hat.«
»Sicher.« Adam schluckte den letzten Bissen des Törtchens hinunter. »Ich bedaure, dass ich Ihre Neugier nicht vollkommen stillen kann. Ich bin sicher, Sie verstehen es, wenn ich Ihnen sage, dass dieses Tagebuch einige sehr persönliche Informationen über Menschen enthält, die mir sehr am Herzen liegen.«
»Wie haben Sie denn festgestellt, dass Mrs. Delmont im Besitz dieses Tagebuches war?«, wollte Caroline wissen.
Er zögerte einen Augenblick. Sie wusste, dass er überlegte, wie viel er ihnen erzählen konnte.
»Vor ungefähr zwei Wochen erhielt ich die Nachricht vom Tode einer alten Freundin, Maud Gatley«, erzählte er. »Ich war sehr traurig über diesen Verlust, aber die Neuigkeit kam nicht unerwartet. Maud war schon seit einiger Zeit abhängig von Opium. In den letzten Jahren hatte die Droge ihr Leben bestimmt, und am Ende hat sie das Opium auch umgebracht.«
»Wie tragisch«, flüsterte Milly.
»Ein paar Tage später erhielt ich einen Erpresserbrief, in dem mir angedroht wurde, den Inhalt von Mauds Tagebuch zu veröffentlichen, falls ich nicht eine große Summe Geldes an einem bestimmten Ort deponieren würde.« Adam griff nach einem weiteren Törtchen. »Bis zu diesem Augenblick hatte ich gar nicht geahnt, dass Maud Tagebuch geführt hatte. Ich habe sofort Nachforschungen angestellt und habe schon sehr bald festgestellt, dass der wenige Besitz, den sie hinterlassen hatte, an eine Cousine gegangen war.«
»Und Sie haben diese Cousine gefunden?«, fragte Emma.
»Ja. Ich war überrascht, als ich feststellte, dass Maud noch Verwandte hatte. Sie hat nämlich immer behauptet, sie hätte keine Familie.«
»Es ist wirklich erstaunlich, wie lange vergessen geglaubte Verwandte plötzlich aus dem Nichts auftauchen, wenn jemand stirbt und einige Wertgegenstände hinterlässt«, meinte Emma spöttisch.
Adam war belustigt. »Ja. Auf jeden Fall wurde mir klar, dass diese unbekannte Cousine zweifellos unter Mauds Sachen dieses Tagebuch gefunden, es gelesen und die Möglichkeit erkannt hatte, einen Profit daraus zu schlagen. Daher hat sie mir diesen anonymen Brief geschrieben. Ich habe noch weitere Nachforschungen angestellt, und dann stellte sich heraus, dass Elizabeth Delmont die Frau war, die zu Mauds Haus gekommen war und die wenigen Dinge mitgenommen hatte, die es dort noch gab.«
»Das war aber eine ausgezeichnete Detektivarbeit, Sir«, meinte Milly beeindruckt.
Er griff nach seinem Tee. »Eigentlich war das gar nicht so schwierig. Ein paar Fragen hier und da, und schon bald hatte ich ihre Adresse in der Hamsey Street.«
Er sprach so ganz nebenbei, als hätte jeder das gleiche Ergebnis herausfinden können, doch Caroline wusste, dass das nicht stimmte. Die Menschen in Adam Hardestys Kreisen verkehrten nicht mit den Elizabeth Delmonts dieser Welt. Und wenn man die wenigen Dinge bedachte, die die vom Opium abhängige Maud hinterlassen hatte, so bewegte diese sich auf der gesellschaftlichen Leiter noch eine Stufe tiefer. Es war sehr unwahrscheinlich, dass ein Gentleman aus der gehobenen Gesellschaft die Art von Verbindungen besaß, die nötig waren, um so schnell eine Verbindung zwischen jemand wie Maud und ihrer Cousine herauszufinden.
Je mehr sie über Adam erfuhr, desto
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