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Liebe und andere Schmerzen

Liebe und andere Schmerzen

Titel: Liebe und andere Schmerzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hrg. Jannis Plastargias
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noch an frische Blumen kommen? Es ist viel zu spät!
    Gestern hat er gut verkauft: Es liegen nur noch ein paar vertrocknete Blüten auf dem Grund des Korbs. Der andere ist noch zu einem Drittel voll. Den kann man wieder aufstocken, Morgán hat noch Vorräte. Aber die Blumen... Soll er also heute nur mit Nüssen losziehen? Es bleibt ihm wohl nichts anderes übrig für diesen Tag.
    »Wirst schon nicht verhungern, alte Schachtel«, brummt er.
    Wenn nur diese Mattigkeit nicht wäre! Vorsichtig richtet er sich auf – in den Rippen sticht es, und der Schweiß rinnt ihm übers Gesicht. Es flimmert ihm vor den Augen, will zu schwarz übergehen – ängstlich verharrt er in halb aufgerichteter Stellung.
    Nach einer Weile legt sich das Schwindelgefühl und auch das Stechen in den Rippen lässt nach.
    »Na also. Alles nur Einbildung. Wolltest dir wohl einen faulen Tag machen, was? Nichts da! Jetzt wird aufgestanden!«
    Behutsam setzt er die Füße auf den Boden und bleibt einen Moment auf der Bettkante sitzen. Er greift zum Nachttisch, nimmt einen Taschenspiegel zur Hand und betrachtet sein Gesicht darin. Verquollene Augen glänzen ihm fiebrig daraus entgegen und sein noch immer volles und lockiges Haar ist schweißverklebt.
    »Tz, tz, tz!« Morgán schüttelt missbilligend den Kopf. »So, wie du heute aussiehst, wird nicht mal ein Opa hinter dir hergucken. Geschweige denn ein Sami-Habib...«
    Ein Schauer rieselt ihm über den Rücken. Er lässt die Hand mit dem Spiegel sinken und schließt die brennenden Augen.
    Er hat sich auf seine alten Tage tatsächlich noch mal verliebt, und zwar so heftig, mit einer solch verzehrenden Leidenschaft, dass es schon geradezu lächerlich ist! Und was für eine hoffnungslose Liebe: Er, mit seinen achtundsechzig und seinen gefärbten Haaren, betet einen zweiundzwanzigjährigen Gott an! Jawohl, einen jungen Gott! Allah möge ihm verzeihen, aber auf den herrlichen Sami-Habib passt keine andere Bezeichnung!
    Er ist erst vor drei Wochen in diesem Viertel aufgetaucht, ein ganz neues Talent, ein geborener Artist mit einem athletischen braunen Körper und einem stolzen Gesicht, aus dem zwei pechschwarze Augen voller Lebensglut in die Welt funkeln!
    Oh! Morgán schwankt auf dem Bettrand. Er öffnet die Augen wieder und bemüht sich, über einen neuen Schwindelanfall Herr zu werden.
    »Wenn du so weitermachst, dann sitzt du heute Abend noch hier!«, herrscht er sich an.
    Er legt den Spiegel an seinen Platz zurück, stützt sich auf den Nachttisch und erhebt sich mühsam. Seine Knie zittern, der Schweiß läuft in eiligen Rinnsalen über Gesicht, Hals und Körper, der Atem geht schwer. Eine Weile steht er schwankend und sammelt all seine Kraft, um nicht wieder aufs Bett zurückzusinken.
    Endlich fühlt er sich etwas sicherer auf den Beinen. Er macht ein paar Schritte zur Tür hin und hält beide Arme seitlich von sich gestreckt, als balanciere er auf einem Seil. Kurz vor der Tür hält er inne. Sein Atem geht heftig und ihm scheint, als schwanke der Boden unter seinen Füßen wie ein Schiff bei Seegang. Er erwischt gerade noch die Klinke, umklammert sie krampfhaft und lehnt sich gegen die Tür.
    »Ah! Nun wird es aber albern!», keucht er wütend. »Man kann doch nicht so urplötzlich krank werden! Gestern Abend war doch noch alles in Ordnung...«
    Gestern Abend ... ah! Morgán macht eine Bewegung, als wolle er etwas von sich abschütteln. Irgendeine Erinnerung scheint in ihm hochsteigen zu wollen, er spürt es nahezu körperlich, wie eine merkwürdige Mischung aus Übelkeit und Entzücken. Während er mit der linken Hand die Türklinke umklammert hält, fährt er sich mit der rechten über die nasse Stirn. Ein Gedanke durchzuckt ihn plötzlich:
    »Natürlich! Gesoffen hast du gestern, das ist es! Einen ganz ordinären Kater hast du, nichts weiter! Hast dir Whisky andrehen lassen ...«
    Er stockt, und seine Augen irren verloren hin und her.
    »Weißt doch, dass du ihn nicht verträgst, alte Schachtel ...«, flüstert er, und unvermittelt lösen sich zwei Tränen aus seinen Augen, die sich schließlich unter seinem Kinn mit den Schweißtropfen vereinigen.
    Neue heftige Stiche in den Rippen lassen Morgán zusammenzucken. Er ringt nach Luft und presst die Stirn gegen die Tür.
    »Na gut«, murmelt er resigniert, »darfst dich noch mal einen Moment hinsetzen. Aber nur fünf Minuten, hörst du?!«
    Schwerfällig schlurft er zurück und lässt sich stöhnend auf die Bettkante fallen.
    »Ein Kater! Dass du

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