Liebe und andere Schmerzen
dich nicht schämst ... Lässt dich besoffen machen wie ein grüner Junge ...«
Morgán vergräbt das Gesicht in den Händen und scheint wieder gegen das Aufsteigen einer Erinnerung anzukämpfen.
Draußen auf der Straße stockt der Verkehr. Autos hupen ungeduldig, eine Straßenbahn bimmelt wütend und Gemüsehändler mit ihren Karren versuchen unter heiserem Geschrei ihre Esel und Pferde voranzutreiben. Durchs Treppenhaus poltern ein paar Kinder, von denen eins plötzlich in schrilles Gelächter ausbricht. Morgán fährt zusammen und hebt die Hände an die Ohren.
»Reiß dich endlich zusammen!«, sagt er laut, als wolle er die Geräusche von draußen übertönen.
»Und was soll denn das nun wieder! Macht dich schon ein Kinderlachen nervös? Bist doch dein Lebtag dran gewöhnt, alte Schachtel ...«
Das Fieber brennt ihm in den Augen. Mit zitternden Händen greift er sich an die Rippen und scheint in sich hineinzuhorchen.
»Der Whisky«, flüstert er, »das kommt alles nur von diesem verdammten Whisky! Wer hat denn nur ...« Er stockt wieder, und ein gequältes Stöhnen entfährt ihm.
Der nächste Schwindelanfall überfällt ihn so plötzlich, dass er nicht Herr über ihn werden kann. Kraftlos fällt er auf den Rücken, während seine Beine über der Bettkante herabhängen. Eine Weile liegt er so da und atmet schwer. Sein Blick irrt über die Zimmerdecke und sucht einen festen Punkt, doch es ist unmöglich. Es scheint keine festen Formen mehr zu geben, alles löst sich in Nebel auf.
Morgán schließt die Augen und sogleich scheint sein Bett sich schräg zu stellen und ihn kopfüber nach unten abgleiten zu lassen. Entsetzt reißt er die Augen wieder auf und versucht, sich auf die Ellbogen zu stützen. Der Schweiß klatscht in dicken Tropfen aufs Bettlaken.
»Nein!«, keucht er mit weit aufgerissenen Augen. «Nein!»
Die Erinnerung kriecht wieder höher – Morgán spürt sie wie ein Würgen im Hals und gleichzeitig jagt sie ihm einen brennenden Schauer durch die Lenden. Sein Kopf sackt nach hinten und zitternd geben die Ellbogen unter der Last seines schwitzenden Körpers wieder nach.
Fieber und Schluchzen schütteln ihn zugleich. Morgán bemüht sich mit enormer Anstrengung, die Augen offen zu halten – doch es macht bald keinen Unterschied mehr. Auch vor seinen offenen Augen beginnt die Erinnerung, sich zu Gestalten zu formen ...
... die dicke Bauchtänzerin ... die höhnenden Kinder ... Sami-Habib im engen, schwarz-roten Trikot ... das Whiskyglas, das er Morgán reicht, das größer und größer wird, riesengroß ... »Trink, Morgán, mein Liebchen, trink, meine Süße ...« Morgán trinkt. Er starrt in Sami-Habibs schwarze Augen ... »Trink, meine Süße, trink!« Morgán trinkt. »Und nun tanz, mein Liebchen! Tanz für mich, mein Morgán!« Die grinsende Bauchtänzerin ... der Akkordeonspieler ... Morgán tanzt. Sami-Habib klatscht dazu in die Hände, und klatscht, und klatscht, und lacht ...
Morgán will schreien, doch nur ein heiseres Keuchen quetscht sich aus seiner Kehle. Er wälzt sich auf die Seite und bedeckt sein Gesicht mit den Händen. Ein jäher neuer Stich durchfährt seine Rippen wie ein Dolch. Er rollt auf den Rücken zurück und ringt nach Luft.
»Tanz, tanz, mein Liebchen ... hoppa! hoppa!« Morgán tanzt. Morgán trinkt. Sami-Habibs schwarze Augen mit den roten Pupillen ... »Komm, meine Süße!« Sami-Habib packt Morgán von hinten bei den Hüften und drängt sich heftig gegen ihn ...
Morgáns Atem rasselt in wilden Stößen. Das Fieber schüttelt ihn und seine Hände kneten das schweißdurchtränkte Laken.
»Nein«, flüstert er, »nein, es ist nicht wahr ...«
Sami-Habib hält Morgán fest an sich gepresst und bewegt sich langsam im Rhythmus der Musik. »Blumen, Laila«, schreit er, »Blumen für das Brautpaar!« ... Die Fleisch-Massen der Bauchtänzerin zittern von ihrem Lachen ... sie greift tief in Morgáns Korb und wirft Blumen über ihn und Sami-Habib ... dröhnendes Gelächter ... Laila, die Kinder, der Akkordeon-spieler ... Lachen, Lachen ...
Morgán presst die zitternden Hände gegen seine Ohren.
»Genug gelacht«, flüstert er, »genug gelacht ... aufhören ...«
Sami-Habib wischt sich die Lachtränen aus dem Gesicht ... er dreht Morgán zu sich herum, küsst ihn ... »Und nun geh brav nach Hause, mein Liebchen!«... Nach Haus, nach Haus ... Sami-Habib lacht, biegt sich vor Lachen ... die Kinder lachen hinter Morgán, die Straße lacht, ganz Kairo lacht ... nach
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