Liebe und andere Schmerzen
der nächsten Begegnung mit ihr seinen ganzen Mut würde zusammengenommen haben und auf sie zugegangen sein würde. Vor ihr stehend würde er sich in ihrem zauberhaften Gesicht verloren haben. Er würde Wörter vertauscht und vergessen, aber sich trotzdem zusammengerissen haben. Denn die Freude würde unermesslich groß gewesen sein, die Freude über ihre Gegenwart, die Gunst ihres samtenen Blickes, der heller als der weißeste Schnee des herrlichsten Wintertages war. Und er würde sie angestarrt haben, verwundert, vielleicht ratlos, aber zumindest würde er vor ihr gestanden haben. Und wenn ihre Geduld dies zugelassen haben würde, dann würde er irgendwann das erste Wort gesagt haben. Ihre Augen – Boten ihrer Aufmerksamkeit – würden ihm sodann ihre Gunst geschenkt, seiner Einladung zugestimmt haben. Seine Träume würden Wirklichkeit geworden sein. Die Erfüllung aller seiner Sehnsüchte. Tage der Wunder würden folgen, Tage der liebestrunkenen Zweisamkeit. Wenn er denn den ersten Schritt getan haben würde ... dann ... vielleicht dann ...
Seine Freunde – Ernest Hemingway, Henry David Thoreau, Jean-Jaques Rousseau, Fjodor Michailowitsch Dostojewski und wie sie alle hießen – hatten gesprochen. Sie hatten ihn ermuntert. Sie kamen aus ganz unterschiedlichen Bereichen des Geistes, aber gebrauchten doch irgendwie dieselbe Sprache, die Sprache von Schmerz und Hoffnung. Sie alle waren verkümmert in denselben Abgründen der Liebe, weshalb Lennart sich verstanden fühlte.
Glücklich klappte Lennart die offen liegenden Bücher zusammen und legte sie fein sortiert aufeinander. Er machte das Licht aus und bereitete sich langsam auf die Nachtruhe vor. Währenddessen machte sich in ihm das beharrliche Gefühl der Hoffnung breit. Er hoffte, seiner großen Liebe nicht zu schnell zu begegnen, um noch eine ganze Weile länger von seinem neuen Mut zu zehren, wenngleich er ihr Herz zu gewinnen so sehr wünschte wie nichts anderes auf dieser Welt.
Zitatnachweis:
Die literarischen Zitate wurden entnommen aus:
Fjodor Michailowitsch Dostojewski ›Weiße Nächte‹, Christiane Landgrebe ›Ich bin nicht käuflich. Das Leben des Jean-Jaques Rousseau‹, Siegfried Lenz ›Schweigeminute‹, Pablo Neruda ›Hungrig bin ich, will deinen Mund. Liebessonette‹, Oscar Wilde ›Das Bildnis des Dorian Gray‹, Ernest Hemingway ›Der alte Mann und das Meer‹, Manuel Puig ›Herzblut erwiderter Liebe‹, Wolfgang von Goethe ›Faust. Der Tragödie Erster Teil‹, Sigrid Damm ›Die schönsten Liebesgedichte‹, Ernest Hemingway ›Nicht, wie wir siegen, entscheidet über den Wert unseres Lebens, sondern wie wir verlieren.‹, Henry David Thoreau ›Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat‹.
BIOGRAPHISCHES
Jan Büssers
1988 geboren, aus Lich, abgeschlossenes
Bachelorstudium der Biotechnologie an der
Hochschule Darmstadt und aktuell eingeschrieben
im Masterstudiengang Technik und
Philosophie an der Technischen Universität
Darmstadt. Mitglied im ›vielbunt Verein‹
Darmstadt und seit August 2012 Queer Referent
im AStA der Technischen Universität Darmstadt.
Veröffentlichungen:
›Sven und Wendy‹, Kurzgeschichte in der
Anthologie ›Nachtgespinst‹, Vlg. BoD / 2011.
E.M. Jungmann
1969 in Fürstenfeldbrück geboren. Sie verschlug
es in den frühen 70er nach Baden-Württemberg.
Kaum konnte sie lesen, da entdeckte sie ihre
Liebe zur Science-Fiction, später auch zum Horror.
Seit 2009 beschäftigt sie sich intensiver
damit, was sie ihrer freiberuflichen Tätigkeit als
Korrektor bei einem auf Horror spezialisierten
Verlag zu verdanken hat. Sie hat zahlreiche
Geschichten und Romane veröffentlicht, u.a.
›Das Herz von Abwûn‹, Fantasyroman, Vlg.
Epidu, Aachen / 2011, ›Jenseits von Ninive‹,
Fantasyroman, Kindle Ed. / 2012 und ›SLAM‹,
Roman, ein Together-Writing-Projekt u.a. mit
Akif Pirinçci, Kindle Ed. /2012.
Katrin Kolk
Jahrgang 1987, lebt in Frankfurt am
Main und studiert dort Kunstgeschichte und
Amerikanistik. Sie schreibt seit ihrer Schulzeit
Gedichte und Kurzgeschichten.
›Fliegen lernen‹ ist ihre erste Veröffentlichung.
Carsten Kubicki
1967 in Bielefeld geboren, lebt in Bonn, wohin er
1999 aus beruflichen Gründen umzog. Die Liebe
zum Schreiben entdeckte er bereits mit siebzehn
Jahren und hat zahlreiche Veröffentlichungen:
›Aus den Augen - aus dem Sinn?‹, Roman, Vlg.
Himmelsstürmer, Hamburg / 2006 (unter dem
Pseudonym Patrick Bega); ›Letze
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